Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
würde er sie nicht wiedererkennen. Vielleicht erging es ihm wie ihr, und auch er hatte das Gefühl, einer Fremden gegenüberzusitzen. Sabrina ließ sich langsam in einem Sessel nieder, weil ihre Feindseligkeit Erschöpfung wich. »Ich bedeutete ihm etwas, Aidan. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, doch so war es. Ich hätte Heimtücke oder Verrat erkannt.«
Aber hätte sie das wirklich? Oder hatte Daigh seine wahren Absichten hinter dem Ansturm von Emotionen verborgen, die mit solcher Häufigkeit ihren Kopf heimsuchten? Hatte seine innere Aufgewühltheit den wahren Zweck seiner Aufmerksamkeiten vernebelt?
Aidan sprang auf und tippte sich nervös mit der Hand gegen das nicht gesunde Bein. Sein Hinken behinderte sein aufgebrachtes Hin-und-her-Laufen über den Teppich. »Lazarus bedeutet nichts etwas. Er wird in allem von Máelodor geleitet. Und wenn er dich annehmen ließ, er empfände etwas für dich, dann nur, weil sein Herr es von ihm verlangte.«
»Nein. Das glaube ich nicht.« Sie konnte es nicht glauben, weil es bedeuten würde, dass sie sich geirrt hatte – dass sie schwärmerisch und naiv gewesen war und Daighs beleidigende Worte zutrafen.
»Du vergisst, dass unsere Wege sich schon einmal gekreuzt hatten.« Aidan legte eine Hand über sein Herz und zuckte zusammen, was die ohnehin schon scharfen Kanten seines Gesichts noch härter machte. »Ich könnte dir die Narbe zeigen.«
Sabrina schob stur das Kinn vor. »Und Daighs Narben? Máelodor hat durch Quälereien und Folter seine Unterwürfigkeit erlangt. Er hat ihn mit dem Bösen infiziert. Es ist nichts Angeborenes bei Daigh, nichts, für das er sich freiwillig entschieden hätte.« Sie ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief ein. War dies ihre Chance, Aidan von ihren Visionen zu erzählen? Aber würde er ihr glauben? Oder würde er die Verbindung als mädchenhafte Fantasie abtun wie Daigh?
Brendan würde ihr zuhören. Und ihr glauben. Doch Brendan war nicht hier. Aidan schon. Und im Guten wie im Bösen war er die einzige Familie, die sie hatte. Vielleicht würde er sogar verstehen, was ihr widerfahren war. Denn sie selbst verstand es absolut nicht.
Sabrinas Stimme war leise, da ein Gewicht ihr die Brust zusammenpresste. »Ich war ihm schon vorher begegnet, Aidan. Ich kannte ihn. Nicht so, wie er jetzt ist, sondern wie er war, bevor Máelodor ihn holte. Bevor er gegen seinen Willen wieder zum Leben erweckt wurde.«
Aidan blieb vor dem Kamin stehen, den Blick auf die jetzt wieder hellroten Flammen gerichtet. Ein kleiner Sieg gegen Tante Delias Extravaganzen. »Wovon redest du?«, knurrte er.
»Von Daigh.« Als Aidan sie wieder unterbrechen wollte, fuhr sie hastig fort. Sie musste darüber reden. Ihm erklären, was mit ihr geschehen war und immer noch geschah, und ihn dazu bringen, ihr zuzuhören und ihre Geschichte nicht als das törichte Gerede eines Kindes abzutun. »Ich weiß, dass es verrückt klingt, doch ich bin in Daighs Vergangenheit gereist. Ich bin mit ihm dort gewesen, habe mit ihm gesprochen und ihn geliebt. Zuerst dachte ich, ich träumte, aber Daigh erinnert sich auch an mich. Er erinnert sich, dass wir einmal zusammen waren. Ich weiß nicht, wie oder warum, doch wenn ich in Daighs Vergangenheit bin, ist sie für mich so real wie dieser Augenblick.«
Aidan fegte ihre Worte mit einer achtlosen Handbewegung beiseite. »Auch das ist bloß Máelodors schwarze Magie. Du siehst, was er dich sehen lassen will.«
Daran hatte sie noch nicht gedacht. War das möglich? Könnte Daigh sie mit irgendeinem teuflischen Zauber belegt haben? Nein. Ihre Visionen waren zu erfüllt von Hoffnung, Leben und Zuneigung gewesen, um das Werk dunkler Mächte zu sein.
»Máelodor wird vor nichts haltmachen, um den Sieg zu erringen. Und wenn er dazu ein unschuldiges Mädchen zerstören muss, dann sei es eben so«, sagte Aidan spöttisch.
»Was will Máelodor denn? Wer ist er? Du sprichst von seiner Bosheit. Daigh sprach von seinem Gift. Selbst Cat zittert, wenn sie seinen Namen ausspricht.«
»Das spielt alles keine Rolle. Du wirst nach Belfoyle fahren, und damit basta!«
Sabrina schüttelte den Kopf. »Wenn ich irgendwohin fahre, dann zurück nach Glenlorgan.«
Aidan sank in einen nahen Sessel, streckte das verletzte Bein aus und massierte den Oberschenkel. »Zu den bandraoi zurückzukehren kommt nicht infrage. Vaters Ermordung wird unsere Familie nicht weiter so zersplittern, wie sie es in den letzten sieben Jahren tat. Du bist meine Schwester
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