Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Zeit für schwache Emotionen. Nicht, solange die Welt der Anderen unter Belagerung der zunehmenden Duinedon’schen Bösartigkeit stand.
Brendan hatte sich gefühlsduseliger Sentimentalität ergeben. Er verdiente sein Schicksal.
Máelodor fröstelte unter der beißenden Kälte, die das Aufkommen des Hellers begleitete. »Solange er noch atmet, wenn Sie ihn mir bringen, können Sie später mit ihm machen, was Sie wollen.« Er bedeutete St. John, sich zu erheben. »Im Moment jedoch müssen Sie all Ihre Fähigkeiten auf das Auffinden des Wandbehanges konzentrieren. Bloom hat versagt. Lazarus ist verschwunden. Es liegt nun ganz in Ihren mehr als fähigen Händen.«
Glitzernde Erregung befeuerte die blassen Augen des Amhas-draoi . »Ich habe den Domnuathi gesehen.«
»Wo?«
»Hier in Dublin. Aber es könnte sein, dass er keinen Wert mehr für Euer Werk besitzt. Er ist gefährlich instabil geworden und von Euren Zielen abgewichen.«
»Dann werden wir ihn an seine Verpflichtung uns gegenüber erinnern müssen. Denn wem wird schon eine zweite Runde auf dem Karussell des Lebens gewährt?« Máelodor fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und seine Hände ballten sich zu Fäusten, als er noch einmal ihre letzte warnende Begegnung Revue passieren ließ. Diesmal würde Lazarus begreifen, dass er dankbar zu sein hatte. Oder er würde noch größere Qualen erleiden als beim letzten Mal.
»Lazarus könnte uns trotzdem noch nützlich sein.«
»In welcher Weise?«
»Er ist eine Bindung zu der kleinen Douglas eingegangen, die wertvoll sein könnte, wenn sie richtig ausgespielt wird.«
»Ist er das?« Unter seinem Lächeln straffte sich Máelodors schlaffe Haut. »Vielleicht ist sein Spiel ja tiefgründiger, als wir wissen.« Auf seinen Stock gestützt, begann er, sich zu erheben, was ihm seiner vielen Beschwerden wegen jedoch nur im Schneckentempo gelang. Sein Körper wurde immer schwächer. Jeder Tag brachte einen neuen Schmerz mit sich, jede Nacht ein klaffendes Loch, wo einmal seine Seele gewesen war. Aber es würde all die Qualen wert sein, wenn Artus sich in sonnenbeschienener Pracht vor ihm verbeugte. Wenn die Duinedon vor der vereinten Macht der mit magischen Kräften geborenen Anderen auseinanderstoben, bis ihnen nur noch die Wahl zwischen Kapitulation oder Tod blieb. Wenn Artus mit Máelodor an seiner Seite ein neues goldenes Zeitalter beherrschte, würden all die Schmerzen und Peinlichkeiten seines ramponierten Körpers belanglos sein.
Er würde erfolgreich sein, wo die Neun gescheitert waren.
Und es würde sein goldenes Zeitalter sein.
Bis dahin allerdings … »Begleiten Sie mich zu meiner Kutsche!«
St. John eilte an die Seite seines Herrn und führte ihn die schmale Treppe hinunter, durch die Eingangshalle und zu dem wartenden Landauer hinaus. Da der Regen nachgelassen hatte, waren viel mehr Menschen unterwegs, und Máelodor stützte sich schwer auf St. John, um nicht von vorbeieilenden Passanten umgestoßen zu werden, Herren mit Schirmen und gegen die Feuchtigkeit hochgeschlagenen Mantelkragen, Frauen in dunklen Wollsachen und tief herabgezogenen Hüten oder Hauben gegen den unaufhörlichen Nieselregen.
Eine ganz in Schwarz gekleidete Frau, deren Gesicht hinter einem dichten Trauerschleier verborgen war, sandte ein Prickeln magischer Energie seinen Arm hinauf, als sie ihn im Vorbeigehen streifte. Máelodor blickte sich nach ihr um, doch sie verschwand in dem Schwarm von Fußgängern, und dann war der Kutscher da. Er öffnete die Tür des Landauers, ließ die Stufen herab und packte Máelodor in warme Decken in der Kutsche ein.
St. John beugte sich hinein. »Ich werde Euch nicht enttäuschen.«
Máelodor legte die volle Kraft seiner Macht in seinen harten Blick. »Das würde ich Ihnen auch nicht raten.«
»Das kannst du nicht tun, Sabrina! Sie werden es merken«, flehte Jane.
»Sie werden gar nichts merken.« Sabrina stellte sich taub und packte weiter ihre Tasche. Ein Kleid zum Wechseln, ein Paar Schuhe, zwei Hemden, ein Schal und ein drittes Paar Strümpfe. Suchend blickte sie sich nach Dingen um, die sie vielleicht vergessen hatte. »Ich habe alles arrangiert.« Sie zog den Schal wieder aus der Tasche, weil der Platz nicht reichte. »Aidan und Cat glauben, ich führe mit Tante Delia nach Belfoyle. Sie stimmten mir zu, dass ein Ortswechsel und Ruhe mir gut tun würden.« Was sie wirklich meinten, war, dass sie sich so weit und schnell wie möglich von Dublin und einem möglichen Skandal entfernen
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