Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
jemandem zu, der den Raum gerade erst betreten haben musste.
Ein Schatten fiel über Sabrinas Schulter.
»Dyma’r joc gwaethaf erioed.« Der singende Tonfall der tiefen Stimme ging ihr durch und durch. Ihre Kehle wurde eng, und eine Hitzewelle trieb die Kälte aus Sabrinas erstarrten Gliedern. »Hol’s der Teufel!«
Ihr Körper war schwer wie Blei, ihre Muskeln angespannt, und das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich umdrehte.
Seine Augen waren schwarz wie die Nacht, sein Gesicht geprägt von harten Kanten und strengen Linien. Er sah sie schweigend an.
Daigh. Sündhaft schön wie immer. Atemberaubend. Tödlich.
Und sie war rettungslos verliebt wie eh und je.
Ein anheimelndes Feuer knisterte im Ofen, und das flackernde Lampenlicht sowie der Duft von Orangenschalen und getrockneten Kräutern schufen eine Oase der Ruhe.
Oder was eine Oase der Ruhe hätte sein können, wäre Sabrina nicht wie eine Verrückte im Zimmer hin und her marschiert. Daigh hätte es wohl auch getan, wenn sie ihm nicht zuvorgekommen wäre. Ard-siúr hatte ihm eine Falle gestellt. Und wie der dümmste aller Narren war er geradewegs hineingetappt.
Bei ihrer letzten Begegnung hatte Sabrina ein lindgrünes Kleid getragen, das üppige dunkle Haar war ihr in seidigen Wellen auf die Schultern gefallen, ihre Lippen waren geschwollen von seinen Küssen und ihre Haut wie pinkfarbenes Perlmutt gewesen. Aber hier, in der tristen Tracht der bandraoi , das Haar unter einem Tuch verborgen und das Gesicht vor Frustration und Schock verzogen, war sie sogar noch viel schöner.
»Ich habe dich sicher in Dublin zurückgelassen«, knurrte er.
Sie fuhr zu ihm herum, und ihre schönen Augen sprühten förmlich Feuer. »Warum bist du hier, Daigh? Wie konntest du mir folgen, nachdem …« Sie nahm ihre nervöse Wanderung wieder auf. »Nach allem.«
»Ich bin dir nicht gefolgt. Ich kam schon vor dir her.«
Er lehnte sich an den Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust, um sich davon abzuhalten, die Möbel zu zertrümmern. Er hatte Sabrina aus seinem Leben streichen wollen, wenn auch vielleicht nicht aus seinem Kopf. Aber da war sie, nur wenige Schritte entfernt, wo jede Rundung und Bewegung ihres Körpers und jede Gefühlsregung in ihrem Gesicht neue Wunden in sein Herz rissen und ihn verlockten mit einer Lebenszeit von Erinnerungen – den wahren und den Eindrücken von dem, was hätte sein können, die sie beide heimsuchten. »Dein Bruder wird glauben, ich hätte etwas mit deiner Flucht zu tun gehabt.«
»Mit Aidan werde ich schon fertig.«
»Nicht mit dem Unseelie , der in ihm lebt, der dunklen, zerstörerischen Energie, die in ihm ist und gegen die er so verzweifelt angeht.«
Sie steckte die Hände tief in die Schürzentaschen und wandte sich in einer abweisenden Geste ab. »Was willst du hier?«
»Ich kam her, um den Wandbehang zu holen.«
Mit einem unterdrückten Fluch zog sie scharf den Atem ein, und ihre Augen wurden groß und ängstlich. »Aber der ist doch schon gestohlen worden.«
Daigh verzog einen Mundwinkel zu einem kühlen Lächeln. »Nein. Irgendein Wandbehang ist gestohlen worden, doch nicht der, den Máelodor haben will.«
»Was kann so wichtig an einem Wandteppich sein, dass …« Ihre Brauen zogen sich zusammen. »Eine Karte. Ein Stein«, sinnierte sie. »Máelodor sucht eine Karte und einen Stein.« Sie erhob den Blick zu Daigh. »Der Wandbehang ist die Karte, nicht? Irgendwie zeigt er den Weg zu Artus’ Grab.«
»So ist es. Máelodor muss hierherkommen, um den Gobelin zu holen. Und dann werde ich ihm entgegentreten.«
»Das kannst du nicht!«
»Ich muss es beenden, Sabrina.« Nun, da er begonnen hatte, kamen ihm die Worte leichter von den Lippen. »Ich kann mich nicht zerschinden und zerschleißen lassen, bis alles, was von mir noch übrig ist, zerfetzt wie eine gefallene Standarte ist. Die Präsenz ist immer in mir und kämpft um die Herrschaft über mich. Wenn ich keine Möglichkeit finde zu sterben, wird sie mich mit Leib und Seele übernehmen. Die Amhas-draoi helfen mir nicht. Ich kann nur den einzigen Weg wählen, der mir geblieben ist.«
Ihre Augen flackerten und verdunkelten sich, doch sie verrieten nichts. »Glaubst du wirklich, Máelodor würde dich ins Grab zurückschicken?«
»Nicht, wenn er die Wahl hat.« Daighs Stimme wurde härter. »Aber die werde ich ihm abnehmen.«
»Du würdest dem Tod so entspannt entgegensehen?«
»Ich habe ihn schon einmal erlitten. Er birgt keine Überraschungen.
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