Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
und ließ ein entmutigendes Bild entstehen.
Daigh riss die Tür auf und stieß fast mit demselben Paar zusammen, dem er schon am Vortag begegnet war. Der unterdrückte Fluch des Herrn und die furchtsam aufgerissenen Augen der Dame gaben ihm eine gute Vorstellung von dem Anblick, den er bieten musste: von erschreckend bis zu beängstigend verrückt.
Zumindest sah man ihm das Monster an. Lancelot dagegen verbarg das Böse, das in ihm war, hinter einer Fassade aristokratischer Kultiviertheit.
Die Erben von Kilronan würden nicht merken, dass sie gejagt wurden, bis es zu spät war.
Andererseits – und hier schloss sich Daighs Faust um eine unsichtbare Waffe – würde es auch Lancelot nicht merken.
»Die Kutsche ist bereit, Lady Sabrina.«
Sie schrak zusammen bei dem Titel, den die schüchterne junge Priesterin benutzte, die geschickt worden war, um sie zu holen. Ihr Exil hatte schon begonnen. Das Lockern der Bande. Der Wechsel von einem Leben zu einem anderen.
Zärtlich strich Sabrina über die weiße Decke auf ihrem Bett und ließ ein letztes Mal den Blick durchs Zimmer gleiten. Zu dem Riss im Gips an einer Wand, der wie eine auf den Kopf gestellte Ente aussah, zu Teresas eselsohriger Ausgabe von Die Kinder der Abtei , die auf einem Nachttisch lag, und dem schiefen Eckschrank, den nur ein zwischen die Türen geklemmtes Stück Papier geschlossen hielt.
Sabrina wollte nicht gehen, und trotzdem kam ihr das Schlafzimmer schon nicht mehr wie das ihre vor. Es schien bereits eine spürbare Distanz entwickelt zu haben. Würde heute in einer Woche schon jede Spur von ihr verschwunden sein?
Tränen brannten hinter Sabrinas Lidern. Könnte sie sich doch nur in ihre Decken einrollen und sich unsichtbar machen, bis Mr. Dixon, Aidans kleiner Handlanger, aufgab und verschwand!
»Mylady?«
Sabrina fuhr herum. »Nennen Sie mich nicht so! Niemals.«
»Nein, My …, ich wollte sagen, nein, Madam.« Auf Sabrinas fortgesetzten bösen Blick hin murmelte sie: »Ich meinte, nein, das werde ich nicht … Schwester Sabrina.« Die junge Priesterin schlich hinaus wie ein geprügelter Hund.
Sabrina seufzte. Warum regte der Titel sie so auf? Weil Mr. Dixon sie schon seit zwei Tagen unablässig mit »Lady Sabrina« angesprochen hatte. Kein Wunder, dass die Schwestern verwirrt waren.
Langsam erhob sie sich und zog die Handschuhe über, schloss die pelzbesetzte Pelisse und strich die Bändchen ihrer Haube glatt. All das hatte Dixon mit einer Nachricht der neuen Lady Kilronan mitgebracht.
Verzeihen Sie die Kühnheit! Aidan bestand darauf, dass ich genügend Kleidung mitschicke, um Sie bis zu Ihrer Ankunft in Dublin auszustatten. Und Sie wissen ja, wie er ist. Hätte ich nicht zugestimmt, wäre er selbst einkaufen gegangen, und wer weiß, was Sie dann bekommen hätten! Ich kann es kaum erwarten, Sie endlich kennenzulernen. Ich habe schon so viel gehört. Nur Gutes natürlich.
Cat
Als Sabrina sich im Spiegel ansah, musste sie, wenn auch widerwillig, zugeben, dass Aidans Frau Geschmack besaß. Niemand würde die elegante, modebewusste junge Dame im Spiegel je mit der schlichten, schmucklosen Novizin von vor ein paar Tagen verwechseln.
Zu schade nur, dass alles umsonst war! Sie würde nie die auf eine vorteilhafte Heirat erpichte Dame der Gesellschaft sein, als die Aidan sie so gern sähe. Und das würde sie ihm bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auch klarmachen.
Seufzend nahm sie ihr Retikül, blickte sich noch einmal um und sandte ein stummes Stoßgebet um Führung an die Götter.
Dieses Exil war nur vorübergehend. Im Frühling würde sie zu den bandraoi zurückkehren. Spätestens.
Warum hatte sie dann das Gefühl, als nähme sie nicht nur für eine lange Zeit, sondern für immer Abschied?
Kapitel Zehn
L ord Kilronan halte sich nicht in der Stadt auf. Er werde erwartet, aber für wann, das könne er nicht sagen. Mrs. Norris, die Tante Seiner Lordschaft, sei für Besucher nicht zu sprechen. Nein, Mr. MacLir könne keine Nachricht hinterlassen.
Der seltsame Kleinwüchsige war fest geblieben. Und ausgesprochen unfreundlich gewesen.
Da Daigh seine Warnung nicht überbringen konnte, ging er, bevor seine Frustration zu etwas noch Unschönerem wurde. Schon jetzt stieg Wut aus dem dunklen Winkel seines Bewusstseins auf, wo die Präsenz verharrte. Sie schoss an seinen überstrapazierten Nerven entlang und rührte die schwärzesten Teile seiner Seele an.
»Also wirklich, Sabrina! Lord Kilronan kann doch kein kompletter Unmensch
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