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Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Verführung der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alix Rickloff
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als sie um eine Säule spähte und sah, dass St. John von der jüngsten und kecksten Trimble aufgehalten wurde, die es nicht eilig zu haben schien, ihre Eroberung wieder freizugeben. Er blickte sich einmal um und runzelte die Stirn, als er die leere Stelle sah, wo Sabrina gestanden hatte, bevor er von der sehr entschlossenen Miss Trimble weggeführt wurde. Die ganze Gruppe bewegte sich auf die Treppe zu, die in die Krypta hinunterführte.
    »… aus dem zwölften Jahrhundert …«, erhob sich die Stimme des Hilfsgeistlichen über die der lauter werdenden Chorknaben.
    Die Trimble-Mädchen gaben ein ängstliches Kichern von sich – was sonst? –, und dann verschwanden alle.
    Endlich!
    Sabrina setzte sich in eine Kirchenbank und versuchte, das unangenehme Gespräch mit Mr. St. John aus ihrem Bewusstsein zu streichen und ihren verlorenen Frieden wiederzuerlangen. Vermutlich würde ihr gesamter Aufenthalt in der Stadt aus ähnlich demütigenden Belanglosigkeiten bestehen.
    Nach so vielen Jahren bei den bandraoi- Priesterinnen hatte sie den Trubel und die Gefahren der Außenwelt vergessen, das unaufhörliche Gedränge und den Lärm, die unverhohlen neugierigen Blicke und den Geräuschpegel erhobener Stimmen. Schon jetzt zermürbte das anhaltende Sperrfeuer ungefilterter Emotionen, das sie bestürmte, ihren Kopf und überspülte ihren Geist wie eine unaufhörlich gegen den Strand schlagende See. Ein paar Minuten für sie allein waren daher ein wahrer Segen.
    Der Chor begann leise und unsicher, bevor er an Stärke und Anzahl junger Stimmen zunahm. Ein zum Himmel aufsteigender Jubel, den das uralte Gestein der Kathedrale sammelte und verbreitete, bis der Rhythmus durch die Sohlen von Sabrinas Stiefeln auf ihre Knochen übergriff und ihren Kopf mit Melodien und Licht erfüllte. Eine Stimme erhob sich über all die anderen, ein klarer, lebhafter Sopran.
    Sabrina schloss die Augen und ließ sich von der Musik und dieser wundervollen Stimme durchfluten.
    Ein Tenor gesellte sich dazu, wurde lauter, als der Sopran nachließ, und übernahm dann ganz. Auch die Melodie änderte sich. Nicht länger ernst und ehrfurchtsvoll, begann sie nun, auf und ab zu springen wie die Takte eines Tanzes. Die lateinischen Worte wichen einer seltsam singenden Sprache, die Sabrina nicht verstand, obwohl sie irgendwie wusste, dass das Lied von Liebe, Herzweh und Verlust handelte.
    Als sie die Augen öffnete, schnappte sie bestürzt nach Luft. Nein! Nicht schon wieder! Das war nicht möglich. Das konnte nicht passieren, nicht jetzt, da Daigh nicht mehr in ihrer Nähe war. Sie konnte nicht neben einem leise knisternden Feuer sitzen, dessen schwaches Licht einen feurigen Schimmer auf Daighs Haar warf, während er seine Klinge schärfte. Es war völlig unmöglich, dass sie das rhythmische Auf und Ab des Schleifsteins auf dem mächtigen Schwert oder die geschickten Finger und das glockenhelle Singen eines Harfenisten hörte.
    Aber so war es.
    Daigh schob das Schwert in die Scheide zurück, erhob sich und zog Sabrina mit sich hoch. Als sie verwundert zu ihm aufblickte, begegnete sie nicht seinem üblichen leeren schwarzen Blick, sondern klaren graugrünen Augen, die völlig frei von Schatten waren.
    »Bei Tagesanbruch breche ich nach Caernarvon auf. Dort braut sich etwas zusammen, und Prinz Hywel hat mich gebeten, seinen Vater zu beschützen.«
    Sabrina runzelte die Stirn. »Dann begleite ich dich. Ich habe gesehen, wie die Frauen bei Hof dich ansehen. Wie ein Festbankett.«
    Er lachte und küsste sie auf die Wange. Seine Brust hob und senkte sich unter ihrer Hand von seinen schnellen Herzschlägen, und sie spürte das Vibrieren seiner tiefen Stimme bis in ihren Arm. »Eifersüchtig? Das schmeichelt mir, doch leider kann ich dich nicht mitnehmen. Diesmal nicht.«
    Der Harfenspieler zupfte die letzten Saiten und beendete sein Lied.
    Sabrina öffnete gerade den Mund, um zu widersprechen, als sich eine große Hand darüberlegte und ein Arm sie an einen harten Körper zog.
    Mit jähem Schreck erwachte sie.
    Erfolg.
    Máelodor öffnete die Augen, obwohl selbst diese kleine Bewegung ihn ermüdete. Das Herz pochte ihm gegen die Rippen, und Schmerz presste ihm die Brust zusammen und schoss an seinen Armen herab. Er keuchte, und jedes Luftholen verkrampfte ihm die Lunge.
    Er hatte Entfernungen und Dimensionen durchquert und die dunkelsten Wege beschritten. Er war dem Pfad in den tiefsten Abgrund und wieder hinaus gefolgt. Die Unseelie spürten ihn, wenn er vorbeikam.

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