Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
beiden und einer Zukunft, die sie niemals haben würden.
»Ist es so?«
Miss Roseingrave antwortete nicht sofort, sondern ging zum Fenster und starrte für ein paar endlos lange Minuten in die Nacht hinaus. Als sie sich wieder umdrehte, war ihr Gesicht von einer grimmigen Entschlossenheit geprägt. »Abgemacht. Ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Aber Sie müssen etwas für mich tun.«
»Ich höre.«
»Helfen Sie mir, Douglas zu finden!«
»Wenn die Amhas-draoi ihn in sieben Jahren nicht aufgespürt haben, wie kommen Sie dann darauf, dass ich es kann?«
»Ganz einfach«, erwiderte sie mit vielsagend erhobener Augenbraue. »Fragen Sie Lady Sabrina!«
Aha! Es befand sich genau dort, wo die Bibliothekarin sie hingeschickt hatte. Sabrina nahm das Buch gerade aus dem Regal, als Jane aus dem nächsten Gang zu ihr herüberkam.
»Hast du gefunden, was du suchtest?«
Statt einer Antwort hielt Sabrina das dicke Buch hoch: Die vollständige Geschichte von Wales, wiedergegeben von einem hochgelehrten Professor und Reisenden dieses schönen Landes.
Der Titel war mit solch winzigen Schriftzeichen auf den Buchrücken gedruckt, dass man ein Vergrößerungsglas brauchte, um ihn zu entziffern.
Jane legte den Kopf zur Seite und verzog das Gesicht. »Ach herrje! Hast du immer noch Schlafprobleme?«
Allerdings.
Daighs Trommelfeuer von Fragen und dürftigen Erklärungen hatte Sabrina ins Grübeln gebracht über bisher unerforschte Möglichkeiten, die alle weder ermutigend noch beruhigend waren. Ein gestohlener Wandbehang? Máelodor? Der Tod ihres Vaters? Brendans Rückkehr? Wie war das alles miteinander verknüpft? Und wie passte Daigh in dieses Rätsel? Und erklärte irgendetwas von alldem die unheimliche Faszination von Daighs Erinnerungen an ein Leben, das sie als das ihre sah, mit einem Mann, dem sie jedoch in Wirklichkeit erst vor ein paar Wochen begegnet war?
Tage und Nächte eines endlosen Kreises unbeantworteter Fragen hatten sie zermürbt, als Jane schließlich mit einer Dosis ihres eigenen Schlafmittels in Sabrinas Zimmer gekommen war.
»Hier.« Sie hatte ihr einen Becher gereicht. »Das hat mir eine wirklich großartige Heilerin gegeben. Es hilft, wenn du nicht schlafen kannst.«
Daraufhin war Sabrina nahe daran gewesen, ihrer Freundin all ihre Sorgen anzuvertrauen, aber am Ende hatte sie geschwiegen und nur still den Tee getrunken. Gerade jetzt, da ihre Freundin endlich aufhörte, wie ein erschrockenes Kaninchen dreinzuschauen, wollte sie sie nicht erneut beunruhigen. Und was sollte sie ihr auch sagen? Ach, übrigens, der Mann, den ich in meinen Visionen sehe, ist wieder da. Und er hat mich gewarnt, dass mein Bruder noch lebt und von jemandem namens Máelodor gejagt wird?
Nicht gerade ein Gespräch für jemanden mit gesundem Urteilsvermögen.
Tante Delia würde ihr auch keine Hilfe sein. Sie hatte sich schon lange von ihrer Anderen -Herkunft losgesagt, da sie weder gesellschaftliche noch finanzielle Vorteile in ihrem Magierblut gesehen hatte. Wenn überhaupt, benutzte sie nur die simpelste Magie – wie die, die sich in pausbackigen Engeln oder Feuern offenbarte, die weniger wie Rauch und mehr wie Rosenwasser rochen.
Sabrina hatte sogar versucht, einen Brief an Ard-siúr zu schreiben, doch nicht nur der erste, sondern auch die nächsten vier Versuche waren im Kaminfeuer gelandet. Die Priorin ihres Ordens hatte nach Brendan gefragt. Aber aus welchem Grund? Weil sie davon ausging, dass er schuldig war, oder weil sie an seine Unschuld glaubte? Sabrina konnte es nicht sagen, und falls ihr Bruder wirklich um sein Leben rannte, würde sie ihm keinen guten Dienst erweisen, wenn sie ihn verriet.
Jetzt drückte sie das Buch an ihre Brust. »Die Geschichte von Wales hat mich schon immer interessiert.«
»Seit wann?«
»Ach, schon ewig.« Sie tat die Frage mit einer Handbewegung ab und hoffte, dass Jane nicht weiter nachhaken würde. Das war das Problem mit einer Freundin, die einen schon so lange kannte.
»Wenn du meinst. Wir treffen uns an der Tür der Bibliothek, wenn du fertig bist.«
Gut, dass Jane so gar nicht neugierig war! Sabrina strahlte sie dankbar an.
Als sie einen freien Tisch fand, setzte sie sich, schlug das Inhaltsverzeichnis des Buches auf und ließ einen Finger über die Seite gleiten. Hier war ein Rätsel, das sie ohne fremde Hilfe lösen konnte.
Topografie
Flora und Fauna
Bevölkerung
Nein. Nein und nochmals nein.
Die Liste setzte sich mit frühen Bewohnern, Religion, Traditionen
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