Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Fang gar nicht erst davon an! Es war dumm und lächerlich. Schicksal, Bestimmung, Liebe auf den ersten Blick – das alles gibt es gar nicht wirklich.«
Diesmal war es Jane, die das Kinn vorschob. »Wie du meinst. Dann sprechen wir nicht mehr darüber.«
»Danke!«
»Aber hat er dich geküsst?«, fragte Jane grinsend und mit einem schelmischen Funkeln in den Augen.
»Jane!«
»Na schön!« Sie seufzte. »Wenn du über Daigh MacLir nicht sprechen willst, dann lass uns über Kilronans Pläne reden. Was schlägst du vor, was man unternehmen könnte, wenn du wirklich so beunruhigt bist?«
»Ich weiß es noch nicht.« Sie ertappte sich dabei, dass sie wieder an einem Fingernagel kaute, und versteckte die Hand schnell hinter dem Rücken, bevor Jane sie tadeln konnte. »Doch falls Aidan Streit will, wird er ihn bekommen. Ich bin nicht mehr so gefügig, wie er mich in Erinnerung hat.«
Die Freundin kicherte. »Ard-siúr hatte recht. Dich gehen zu lassen hat Wunder gewirkt für dein Selbstvertrauen. Und für deinen Eigensinn.«
»Ard-siúr hat mit dir über mich gesprochen?« Sabrina wusste nicht, ob sie erfreut oder verärgert sein sollte.
»Das ist zu viel gesagt. Sie meinte nur, dass du, wenn du zu uns zurückkämst, eine doppelt so gute Priesterin sein würdest, wie du wärst, wenn du das Kloster nicht verlassen hättest.«
»Ach ja?« Sabrina versteifte sich, als sie sich vom Schreibtisch löste. »Dann werde ich es ihr zeigen. Doppelt und dreimal so gut – die beste!«
»Und Daigh?«
»Wir wollten doch nicht mehr über ihn sprechen.« Enttäuschung legte sich auf ihre Brust wie ein harter, kalter Stein, der sich auszubreiten schien, bis ihr ganzer Körper schwer wie Blei wurde und schmerzte. »Er ist nicht meine Zukunft.« Sie dachte an seine Sicherheit, die fast schon wütende Überzeugung, mit der er geschworen hatte, sie zu kennen. Sie war sein Traum. Aber es konnte nicht sein. Egal, wie sehr ihr Herz vielleicht auch wünschen mochte, es sei möglich. »Und egal, was er sagt, ich bin auch nicht seine Vergangenheit.«
Kapitel Fünfzehn
D ie Musiker stimmten einen schwungvollen schottischen Reel an, und von ihrem versteckten Platz hinter einem Wald aus Topfpflanzen beobachtete Sabrina die Aufstellung der Paare.
Tante Delia war schon kurz nach ihrer Ankunft auf dem Ball ihrer eigenen Wege gegangen und bot damit Sabrina eine willkommene Atempause. Während der ganzen Kutschfahrt hatte die alte Dame ihr in Lob verpacktes Gift versprüht und erst damit aufgehört, als sie die marmorne Eingangshalle von Sir Lionel Halliwells Haus betreten hatten, wo sie sich überaus charmant und kultiviert gegeben hatte. Natürlich hatte sie sich eine letzte Spitze nicht verkneifen können, als der livrierte Diener ihnen vor dem Stadthaus aus der Kutsche geholfen hatte: »Keine Bange, es wird schon gut gehen, Kinder. Es gibt immer ein paar Einfaltspinsel, die neu in der Stadt sind und Tanzpartnerinnen brauchen.«
Sabrina hatte das mit einem gleichmütigen Lächeln beantwortet und war sogleich zur nächsten Ecke mit Topfpflanzen hinübergeschlendert, allerdings nicht ohne unterwegs bei jedem Diener stehen zu bleiben, der mit einem Tablett an ihr vorbeikam, und sich mit einem Glas Claret zu stärken.
Dann begann die Musik. Hinreißend schön in einem cremefarbenen Seidenkleid, ihr wundervolles Haar zu einer eleganten Lockenfrisur aufgesteckt, stand Jane einem Inbegriff der Männlichkeit in scharlachroter Uniform gegenüber, der sie schon Momente nach ihrem Eintreffen um einen Tanz gebeten hatte.
Sehr zum Kummer ihrer Tante und Sabrinas Erleichterung hatte sie keine solche Aufforderung erhalten. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, oberflächliche Konversation führen und sich gleichzeitig auf die Schritte des Reels konzentrieren zu müssen. Zu viele Jahre waren seit ihren Tanzstunden auf Belfoyle vergangen. Und sie war schon damals nicht sehr gut gewesen.
Na ja, und wenn schon! Hier musste sie zumindest ihre ganze Energie darauf verwenden, sich nicht lächerlich zu machen. Wäre sie hingegen zu Hause, würde sie wieder die Geschichte von Wales lesen, sich Daigh als über sechshundert Jahre alten Krieger vorstellen oder an seinen glutvollen schwarzen Blick denken – und vor allem an seinen Kuss, der ihr Herz noch immer schneller schlagen ließ, wenn sie ihn im Geiste noch einmal durchlebte.
Die Paare standen sich in präziser Aufstellung gegenüber, blickten einander in die Augen, drehten sich und fassten sich an den
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