Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Anweisungen an ihre Zofe, die sie für den Halliwell’schen Ball an diesem Abend zurechtmachte. Die leisen Schritte einer Hausmagd, die den Gang ausfegte. Das Bimmeln der Dienstbotenglocke. Schritte auf der Treppe.
Es hatte Tage gedauert, sich ohne die Hilfe der Klosterglocken ans Aufstehen zu gewöhnen. Noch länger, sich nicht mehr ständig nach Schwester Brighs missbilligender Miene umzudrehen. Selbst jetzt noch erschien es Sabrina beinahe dekadent, fünfzehn Minuten länger als sonst zu dösen. Und jede Minute, die sie nicht mit Arbeit, Studium oder Meditation verbrachte, fühlte sich wie etwas ganz und gar Frivoles an.
Sie gab es nur sehr ungern zu, aber tatsächlich empfand sie ihr Nichtstun als wohltuende Atempause. Es erinnerte sie an die entspannte Langeweile ihres Lebens, daran, wie es gewesen war, bevor sie sich in den Orden zurückgezogen hatte. An eine Freiheit, die sie damals nicht zu schätzen gewusst hatte.
»Nein, vielleicht lieber das Fliederfarbene mit dem hübschen goldenen Überrock und der Spitze an den Seiten.« Tante Delias Unentschlossenheit war nicht zu überhören. »Und wenn du hier fertig bist, kümmerst du dich um Lady Sabrina. Ich möchte sichergehen, dass sie auffällt. Sie ist ja leider so ein unscheinbares kleines Ding.«
Sabrina verzog das Gesicht über die Charakterisierung. Was war so schlimm daran, unscheinbar zu sein? Und warum in der Gesellschaft auffallen, wenn sie ohnehin spätestens bis Juni nach Glenlorgan zurückkehren wollte? Sie wusste, warum. Und alles ging auf Aidans Brief zurück. Er hatte Dinge zu besprechen . Ha! Wem versuchte er, etwas vorzumachen? Sie wusste, was er wollte. Ihre glänzende Einführung in die Gesellschaft, gefolgt von einer vorteilhaften Heirat mit einem möglichst hohen Adligen mit vollen Taschen und gutem Ruf – beides Eigenschaften, die den Douglas von Kilronan seit mehr Jahren abgingen, als sie zählen konnte.
Sie sollte Aidans jüngstes Glücksspiel sein.
Das dachte er zumindest.
Ein Klopfen riss Sabrina aus ihren rebellischen Gedanken.
Oh nein! Tante Delias Zofe kam, um Wunder bei dem »unscheinbaren kleinen Ding« zu wirken.
»Darf ich hereinkommen?« Zu Sabrinas Erleichterung war es Jane, die den Kopf durch die einen Spaltbreit geöffnete Tür steckte.
Sabrina setzte sich auf und zwang sich zu einem ruhigen, gelassenen Lächeln.
»Netter Versuch, doch du hast an den Fingernägeln gekaut. Und der sture Zug um dein Kinn ist auch nicht zu übersehen.« Jane, die ein Tuch um die Schultern trug, setzte sich ans Feuer. »Was ist denn los?«
Sabrina versteckte die Hände in den Falten ihres Rocks und kehrte mit einem Seufzer der Erleichterung zu ihrem Stirnrunzeln zurück. »Wenn ich nicht aufpasse, werden Aidan und Tante Delia mich noch vor Ende des Sommers mit einem steifen, langweiligen Geldsack verheiraten. Und dann ist Schluss mit meinem Leben bei den bandraoi .«
Jane legte die Füße auf den Kaminrand. »Kilronan wird deiner Rückkehr nach Glenlorgan doch sicher nicht im Wege stehen. Nicht, wenn du ihm zeigst, dass es wirklich das ist, was du willst.«
Sabrina schnaubte zweifelnd, und sie betrachtete wieder das wartende Buch über walisische Geschichte.
Jane, die ihrem Blick gefolgt war, zog eine Augenbraue hoch. »Es ist doch, was du wirklich willst, oder?«
»Natürlich!«, erwiderte Sabrina ungehalten. »Habe ich das nicht immer gesagt?«
»Ja, aber du hast früher auch den ganzen Schulschlafsaal mit Geschichten von Prinzen und Prinzessinnen unterhalten. Von stampfenden Pferden, bösen Schurken, Heldentaten, Romanzen und ›… wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute‹.«
»Was willst du damit sagen?«
»Vielleicht – nur vielleicht, wohlgemerkt – glaubst du, du wärst deinem Prinzen schon begegnet.« Sie errötete. Oder waren Janes Wangen vorher schon so rot gewesen?
Sabrina sprang auf und ging zu ihrem Schreibtisch, hob das schwere Buch auf und legte es in eine Schublade, wo es sie nicht mehr anstarren konnte. Dann lehnte sie sich an den Tisch und richtete mit grimmiger Entschlossenheit den Blick auf Jane. »Das spielt keine Rolle. Daigh MacLir ist nicht mein Märchenprinz. Ich darf ihn gar nicht wollen.«
»Er ist dir nach Dublin gefolgt.«
»Nein. Er ist aus Glenlorgan geflohen und mir in Dublin zufällig über den Weg gelaufen. Das ist etwas anderes.«
»Erinnerst du dich, dass du einmal gesagt hast …«
Sabrina ließ sie nicht ausreden, weil es zu demütigend war. »Nur allzu gut.
Weitere Kostenlose Bücher