Verführung der Finsternis: Roman (German Edition)
Menschlichkeit, den Daigh an ihr bemerkte.
»Ich könnte Ihnen nicht mal helfen, wenn ich wollte«, sagte er. »Sabrina ist so von Aufpassern umgeben, dass keine Chance besteht, sie unter vier Augen zu sprechen.«
»Sie geht doch aus, oder nicht? Dann gehen wir, wohin sie geht. Sir Lionel Halliwell gibt in ein paar Tagen einen Ball. Dort können Sie sie allein erwischen.«
»Und wie komme ich dort herein?«
»Mit mir.«
»Warum solche Anstrengungen unternehmen? Warum gewinnen Sie Ihr Vertrauen nicht selbst?«
»Die Douglas vertrauen den Amhas-draoi nicht. Lord Kilronan hat Lady Sabrina bestimmt schon von seinem Misstrauen gegenüber unseren Absichten erzählt. Aber Ihnen«, schloss sie mit einem zynischen Lächeln, »vertraut sie. Also lassen Sie ein paar Muskeln spielen, und sie wird Ihnen alles sagen.«
»Kannst du ihr das verdenken?«, warf Grand-mère mit einem mädchenhaften Erröten auf ihren verwelkten Zügen ein.
»Na schön«, gab Daigh verärgert nach. Er fühlte sich in die Enge getrieben. Um St. John zu entlarven, brauchte er Miss Roseingraves Hilfe. Und sobald St. Johns wahre Absichten klar zutage lagen, würde alles andere klar werden. Die Amhas-draoi würden erkennen, wo die wahre Gefahr lag, und Brendan Douglas’ Unschuld wäre erwiesen. Sabrina würde verstehen. »Ich werde sie fragen, was sie weiß, doch Douglas geht frei aus. Sie müssen mir Ihr Wort darauf geben.«
»Dem kann ich nicht zustimmen. Was würde geschehen, wenn Scathach und die Bruderschaft erführen, dass ich ihn entkommen ließ?«
Daighs weiße Zähne blitzten auf. »Das ist nicht mein Problem.«
Seine Verdrossenheit stärkte die Bestie, die ihre Fänge an seinen Knochen schärfte. Das Zimmer schwankte unter seinen Füßen, seine Sicht verschwamm, und ein stechender Schmerz bohrte sich wie eine Axt in seinen Nacken. Er unterdrückte ein Aufstöhnen, und nur die kalte Wand in seinem Rücken hielt ihn aufrecht in dem Strudel, der sich zu seinen Füßen öffnete. Die Präsenz schwoll zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an, als sie versuchte, ihn hineinzuziehen. Zurückzuziehen …
Als er danach wieder den Blick hob, schaute er in die schlauen goldenen Augen der alten Frau, die sich über ihn beugte und eine Hand an seine Stirn legte. Die andere lag auf seiner Brust, direkt über der Stelle, wo das Herz ihm wie rasend gegen die Rippen schlug.
Hinter ihr stand Miss Roseingrave und beobachtete ihn mit unverhohlener Verachtung in Haltung und Gesichtsausdruck. »Ich sagte Ihnen ja, dass es unmöglich sein würde, lange gegen ihn durchzuhalten. Er beherrscht Ihren Körper und Ihre Seele.«
»Nein!«, brüllte Daigh und versuchte, sich aufzurappeln. Aber die alte Frau hielt ihn fest. Er musste schwächer sein, als er angenommen hatte. Fluchend ließ er sich zurückfallen.
Ihr Mund verzog sich zu einem dünnen weißen Strich. »Die Magie Ihres Schöpfers ist stark und gefährlich. Er versucht, Sie für seine Sache zurückzugewinnen, und benutzt dazu alle dunklen Kräfte, die ihm zur Verfügung stehen. Es würde einen mächtigeren Mann als Sie erfordern, um seiner schwarzen Magie zu widerstehen.«
Daigh schloss die Augen, weil er plötzlich völlig ausgelaugt war, seine Glieder sich schwer wie Blei anfühlten und ihm schon wieder schwindlig war. »Ich spüre ihn immer. Doch heute ist es irgendwie anders. Fast so, als stünde er neben mir. In diesem Zimmer.«
Ein aufmerksames Schweigen folgte, als strengten sich alle an, irgendetwas wahrzunehmen, was auf Máelodors Präsenz hinwies.
Helena Roseingraves Großmutter brach die Spannung. »Bekämpfen Sie ihn!«, sagte sie gebieterisch. »Zeigen Sie ihm, dass Sie ihn nicht fürchten! Er schöpft Lebenskraft aus Tod? Dann ersticken Sie ihn mit Leben! Übersättigen Sie ihn damit, bis er unter einem Berg von Schönheit, Freundschaft, Liebe und Vertrauen erstickt!«
Daigh durchforschte sein Gedächtnis nach einem solchen Moment. Nach irgendetwas, um sich von dem Schlund zu seinen Füßen zu entfernen, wo Máelodor ihn erwartete.
Aber da war nichts.
Nur ein kreischendes Geräusch wie von Metall an Metall, das seinen Kopf erfüllte und alles Denken verhinderte, seine Konzentration zunichtemachte und ihm den Atem raubte. »Ich kann nicht …«
Der Schrei der alten Frau durchdrang den Lärm in seinem Kopf und erreichte Daigh. »Greifen Sie tiefer in sich!«
Und so richtete er seine Aufmerksamkeit mehr und mehr nach innen und fütterte die Präsenz mit den wenigen bruchstückhaften,
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