Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
würge und keuche, doch schließlich verschwindet der letzte Rest Sauce im Abfluss, und ich hole vorsichtig Luft.
Was zum Teufel war das? Ich habe noch nie erlebt, dass Lasagne so schnell schlecht geworden ist.
Ich habe immer noch Hunger, also zurück zum Kühlschrank. Aber auf nichts da drin habe ich Appetit. Ich schließe die Tür und überlege. Was will ich denn essen?
Ein Steak. Mein zweitliebstes Essen, gleich nach Lasagne.
Ich wirbele herum, schnappe mir eine Zeitung und meine Handtasche und gehe zur Hintertür hinaus. In dem Lokal ein Stück die Straße runter gibt es das beste Steak der Stadt.
Ich habe mich an einen der Tische draußen an der Strandpromenade gesetzt. Eines der Dinge, die mir am Leben direkt neben dem Strand so gefallen, ist die ständige, sich immer verändernde, immer überraschende Vielfalt der Leute, die vom Wasser angezogen werden. Der große Ozean macht tatsächlich alle gleich. Er löst Hemmungen und befreit die Seele. Alle nackten Zehen sehen gleich aus, wenn sie sich in den Sandstrand graben.
Deshalb kann ich hier in schlabberiger OP-Kleidung und mit wirrem Haar sitzen, ohne auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu erregen.
Und deshalb vor allem widmet Jorge, mein Kellner, meiner Aufmachung oder meinem Gesicht ebenfalls keinen zweiten Blick, als ich meine Bestellung aufgebe.
Jorges mangelnde Überraschung bestätigt aber auch meinen Verdacht, dass mein Stoffwechsel wesentlich besser funktionieren muss, als ich je erwartet hätte. Ja, ich bin gut in Form; ich trainiere und achte auf meine Ernährung. Trotzdem – mein Körper heilt sich so schnell, dass kaum noch ein blauer Fleck oder Kratzer zu sehen ist.
Wie kann das sein?
Im Augenblick ist mir das eigentlich egal. Ich habe Hunger.
Aber noch etwas anderes nagt an mir. Ich fühle mich gut, geistig, meine ich – richtig gut. Ich weiß, dass das weder logisch noch vernünftig ist. Vielleicht hat David recht. Ich stehe unter Schock. Ich sollte jemanden danach fragen. Aber Dr. Avery hat diese verspätete Psychologin nie wieder erwähnt, und er hat mir auch nicht ihren Namen oder ihre Telefonnummer gegeben, als ich entlassen wurde.
Auch seltsam.
Jorge kommt mit meinem Glas Wein und dem Versprechen, mein Steak sei bald fertig. Das dürfte auch nicht lange dauern. Schließlich habe ich nur Steak bestellt – keinen Salat, keine Kartoffeln oder Gemüse. Ich fühle das Bedürfnis nach Protein, schlicht und einfach. Seine selbstverständliche Hinnahme meiner ungewöhnlichen Bestellung ist eine weitere Bestätigung dafür, wie wundersam das Leben am Strand doch ist. Keine hochgezogene Augenbraue, kein verwundertes Stirnrunzeln auf diesem entzückenden, dunklen Latino-Gesicht.
Ich glaube, ich liebe ihn.
Ich nippe an meinem Wein und lehne mich seufzend zurück. Die Zeitung liegt auf dem Tisch, und ich schlage sie auf, überfliege die Schlagzeilen und frage mich, was ich in den vergangenen vierundzwanzig Stunden verpasst haben mag. Offenbar nicht viel. Ich blättere mich langsam durch die Sparten. Ich bin schon beinahe am Ende des Lokalteils angelangt, als mir ein kleiner Artikel, ganz unten auf Seite acht, ins Auge sticht. Er handelt von Donaldson, und mir bleibt fast das Herz stehen. Ich habe Angst, dass es darin um den Angriff gehen wird und mein Name erwähnt werden könnte. Ich weiß, dass die Namen von Vergewaltigungsopfern nicht genannt werden dürfen, aber ich muss trotzdem erst einmal meine Angst herunterschlucken, bevor ich ihn lesen kann.
Es stellt sich heraus, dass der Artikel völlig anders ist, als ich erwartet hatte.
Donaldson ist jetzt ein flüchtiger Verdächtiger, der nicht nur wegen der mutmaßlichen Unterschlagung, sondern auch wegen Vergewaltigung und Mordes gesucht wird.
Mord?
Ich lese weiter. Dem Artikel zufolge ist Donaldson offenbar in die Wohnung in Chula Vista gegangen, wo er die Frau ermordete, bei der er wohnte. Sie wurde mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden. Sie wurde misshandelt, sexuell missbraucht und dann gewaschen, ausgeblutet und leblos in der Badewanne zurückgelassen. Die Polizei geht davon aus, dass Donaldson ihren Wagen genommen und sich in Richtung Mexiko auf den Weg gemacht hat. Es folgt eine Beschreibung des Wagens samt Nummernschild und die Warnung an die Öffentlichkeit, dass er als bewaffnet und gefährlich gelte und man sich ihm auf keinen Fall nähern solle.
Ich lege die Zeitung wieder hin und trinke einen Schluck Wein.
Hat er seine Freundin ermordet, bevor oder nachdem
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