Verführung der Nacht: Ein Vampirthriller (German Edition)
mir nichts anderes übrig, als meinen Verstand von der ungeheuerlichen Frage loszureißen, ob Max über Vampire Bescheid weiß, und mich wieder auf die Suche nach David zu konzentrieren.
Vorsichtig sende ich meine Gedanken zu dem Saloon aus. Ich spüre nicht dieses Kribbeln, das ich gefühlt habe, als Donaldson nach dem Brand in der Nähe war. Doch dort drin sind Vampire. Ich erspüre vier. Drei »sprechen« Spanisch und irgendeinen gallischen Dialekt, vielleicht Französisch, und dennoch kann ich jeden ihrer Gedanken verstehen.
Man stelle sich das nur vor. Vampire haben eine eigene Gedankensprache.
Das ist ja besser als Esperanto.
Und sie alle denken an dasselbe – eine Dame dort drin mit gewaltigen Titten.
Doch Donaldson ist nicht unter ihnen.
Zeit für Plan B.
Averys Karte zufolge muss ich hinter den Saloon, um den Eingang zu den unterirdischen Gängen zu finden. Da der Saloon anscheinend als einziges von den etwa zwanzig windschiefen Gebäuden an dieser Straße mit Leben erfüllt ist, fällt es mir leicht, unentdeckt in die Dunkelheit dahinter zu schleichen. Es ist erstaunlich, wie deutlich ich alles sehen kann. Jeder Felsen, jeder Kaktus, jeder Busch sticht aus einer Art unheimlichem Leuchten hervor. Ich kann sogar das schwarze Loch in gut achthundert Metern Entfernung erkennen, das der Eingang zu den Tunneln sein muss. Es ist weder von Glühbirnen noch von Fackeln erleuchtet und sieht kaum aus wie der Eingang zu einer lebhaften unterirdischen Gemeinschaft, wie Avery sie mir beschrieben hat.
Doch als ich näher komme, höre ich ein tiefes Summen. Ein Generator vielleicht? Und dann erkenne ich, dass das »dunkle Loch« von vorhin in Wirklichkeit ein riesiger Felsbrocken ist. Er verbirgt hervorragend den Zugang, es ist nichts davon zu sehen bis auf eine etwa mannshohe, schmale Öffnung ganz hinten.
Ich bin schon fast drinnen, als ich Schritte kommen höre. Ich verstecke mich hastig und taste vorsichtig nach dem fremden Geist. Das ist ein Vampir, o ja. Und im selben Moment spüre ich noch etwas. Es ist Donaldson.
Anscheinend hatte Avery mit seiner Ahnung recht.
Donaldson ist allein. Er tritt aus dem Tunnel und geht entschlossenen Schrittes auf den Saloon zu. Zum ersten Mal seit der Nacht, in der er mich angegriffen hat, bin ich ihm so nahe. Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, Avery zu fragen, wie lange Donaldson schon ein Vampir ist, aber er sieht ganz anders aus als auf dem Polizeifoto. Er wirkt jetzt eher schlank und straff als dürr, und selbstsicherer, wie ein Raubtier. Die Brille trägt er auch nicht mehr. Avery sagte, ich solle mit körperlichen und geistigen Veränderungen rechnen, die über die offensichtlichste hinausgehen – das Bedürfnis nach Blut. Vielleicht hat er das damit gemeint – Dinge wie Sehvermögen, körperliche Kraft und Schnelligkeit verbessern sich. In Donaldsons Fall ist das nicht gut.
Doch Donaldsons Gedanken sind eigenartig passiv. Ich muss vorsichtig sein, wenn ich in seinen Geist vorfühle, aber ich spüre weder Zorn noch irgendwelche finsteren Gelüste. Es gibt keine Gedanken an David oder an mich. Ja, offenbar ist auch er nur daran interessiert, an die Lady mit den großen Titten heranzukommen. Er empfindet eine machtvolle Lust, und es ist mir beinahe peinlich, dieses Gefühl aufzufangen.
Wohl kaum die Gedanken eines erbarmungslosen Mörders.
Aber dieses Verhalten würde zu einem Psychopathen passen. Und ich sollte nicht vergessen, was er mir angetan hat.
Ich beschließe, ihn in den Saloon gehen zu lassen und die Tunnel zu durchsuchen. Solange unsere Freundin mit der üppigen Oberweite dort Hof hält, weiß ich wenigstens, wo er zu finden sein wird.
Kapitel 22
H inter dem Felsbrocken öffnet sich gähnend der Mineneingang. Hier gibt es Licht. Glühbirnen hängen an Haken und erstrecken sich wie eine überdimensionale Lichterkette in den Tunnel hinein und außer Sicht. Es gibt hier keine Nischen, keine Verstecke. Wenn ich also jemandem begegnen sollte, habe ich zwei Möglichkeiten – mich an ihnen vorbeireden oder sie mit dem Taser überwältigen.
Ich löse den Taser von meinem Gürtel und halte ihn bereit.
Ich schiebe mich an der Wand entlang und folge ihr, bis sich der Tunnel nach etwa vierhundert Metern teilt. Der linke Gang ist dunkel, die Lichterkette folgt dem rechten. Das tue ich auch. Es ist feucht hier drin, und es riecht nach Erde und dem Mief zusammengepferchter Menschen, doch bisher ist mir niemand begegnet. Ich habe auch keine leise
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