Verführung Der Unschuld
Mittagessens zur Hand, bis Mario kam und mitteilte,
dass die Signori mit dem Maserati fortgefahren seien, um ihren Geschäften nachzugehen. Das
390 PS starke Geschoss kam meistens dann zum Einsatz, wenn die Brüder junge Klienten
beeindrucken wollten, und die Anfahrt weiter weg über die Autobahn führte. Ansonsten bot
sich selten Gelegenheit, den schicken, hellblau metallic lackierten Sportwagen mit den
dunkelblauen Ledersitzen auszufahren.
Mario war etwa Anfang dreißig. Seine ganze Leidenschaft gehörte dem Motorsport. In
jungen Jahren träumte er davon, einmal Rennfahrer zu werden, aber ein schwerer Unfall
machte alle Zukunftspläne zunichte. Mario konnte von Glück sagen, dass er die vielen
Knochenbrüche und inneren Verletzungen überlebt hatte. Nur der operativen Höchstleistung
der Ärzte verdankte er, dass sein zertrümmertes linkes Bein ihm nicht abgenommen wurde.
Seither jedoch hinkte er, und der Traum von der Rennfahrerkarriere war vorbei. Stattdessen
kümmerte er sich nun hingebungsvoll um die vier Autos der Morenos, als ob jeder der teuren
Wagen sein persönliches Schätzchen wäre, das zu jeder Minute auf Hochglanz poliert und
ohne das geringste Staubkörnchen im Innenraum oder auf dem Lack zur Ausfahrt parat stehen
sollte.
Giulia sah Mario an und reichte ihm eine Tasse Espresso. Er zögerte, aber als Concetta
zustimmend nickte, nahm er die Tasse und bedankte sich mit einem Lächeln. Er mochte das
Mädchen. Sie war natürlich und freundlich, fleißig und auch mal für einen kleinen Scherz zu
haben. Und im Gegensatz zu manchen anderen hatte sie stets gute Laune.
***
Für Giulia begann nun die eigentliche Arbeit des Tages. Giovanni und Antonella waren so
schnell abgereist, dass keine Zeit geblieben war, ihr irgendwelche Instruktionen zu erteilen.
Sie musste alleine zurechtkommen. Wie schon eine Stunde zuvor sprang sie flott die Stufen
der Dienstbotentreppe hinauf und holte den Putzwagen. Wo sollte sie anfangen? Da fiel ihr
ein, dass sie zuerst das Frühstücksgeschirr abräumen musste.
Sie ließ also das Putzzeug stehen, holte den Geschirrwagen und schob ihn den Flur entlang.
Dabei starrte sie stur gerade aus, um den Blick auf die Malereien zu vermeiden. Sie hatte den
Eindruck, diese blickten von den Wänden auf sie herab, folgten ihr mit den Augen und
machten sich über sie lustig.
Der Frühstückstisch glich einem mittleren Schlachtfeld. Die benutzten Stoffservietten aus
weißem Damast lagen achtlos über die Teller geworfen. Marmeladenreste und Krümel
klebten daran fest, und Giulia achtete darauf, dass nichts davon auf den Boden fiel, als sie
alles auf den Servierwagen lud. Erst als sie damit fertig war, schaute sie sich um. Die drei
Türen standen offen und Giulias übergroße Neugierde siegte.
Eine der Türen führte in ein geräumiges Ankleidezimmer. Rundum waren Schränke mit
Schiebetüren aus transparentem Glas und vielen Schubfächern. Nur der Bereich des einzigen
Fensters war ausgespart. Das war also das Zimmer hinter der dritten Tür! Wie praktisch, ein
begehbarer Kleiderschrank! Giulia seufzte voller Neid. Die luxuriöse Einrichtung und
Großräumigkeit des unteren Stockwerks setzte sich also hier oben fort – oder wurde sogar
noch übertroffen.
Im ersten Schlafzimmer war es durch die geschlossenen Fensterläden und die zugezogenen
bodenlangen Vorhänge dunkel. Giulia öffnete die beiden Fenster und die Läden, um Licht
und frische Luft hereinzulassen. Als sie sich wieder umdrehte, war sie über die Geräumigkeit
des Zimmers überrascht. Das Wohnzimmer ihrer Eltern war kaum größer als dieses
Schlafzimmer! So viel Platz für eine einzelne Person und alleine dafür hergerichtet, um darin
zu schlafen?
Das Bett stand mit der Kopfseite an der Wand gegenüber der Tür und war breit genug, um
zwei Menschen bequem Platz zu bieten. Außer je einem Nachttischchen links und rechts des
Bettes, einem stummen Diener, einem antiken Schubladenschränkchen und einer ausladenden
Fächerpalme in einem blau glasierten Tontopf war das Zimmer leer. Die rote Satinbettwäsche
war zerwühlt, die Decke hing zur Hälfte auf den Boden, und der seidene dunkelblaue Pyjama
lag zusammengeknüllt obendrauf.
Über dem Bett und rundum an den Wänden hingen großformatige Pastell- und Ölbilder in
teuren Rahmen mit breiten Passepartouts. Auf jedem war eine nackte Frau abgebildet, die sich
lasziv auf einem Bett, Sessel oder Sofa rekelte. Sie schaute auffordernd den Mann an, der
meistens nur angeschnitten
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