Verführung Der Unschuld
Aber als sie es dann auf ihre Empfehlung hin besuchten, wussten sie
sofort: es war perfekt!
Die Villa war Mitte des 17. Jahrhunderts von einem ihrer mütterlichen Vorfahren, dem
Grafen Cesare Borgo, erbaut worden. Es war eines von vielen Gebäuden jener Zeit, in denen
die reichen Luccesischen Familien ihre verfeinerte Lebenskunst mit einem repräsentativen
Landsitz krönten. Die sanfte Hügellandschaft, die Lucca umsäumte, war geprägt davon.
Die Zeit und die Mieter hatten ihre Spuren hinterlassen. Die Gemelli ließen das Gebäude mit
Sorgfalt und Liebe zum Detail restaurieren, auch das teilweise noch erhaltene, exquisite
Mobiliar wie das des Speisezimmers, dessen Stühle neu aufgepolstert werden mussten.
In dem für damalige Verhältnisse perfekt eingerichteten Schulzimmer waren frühere
Generationen der Borgo von einem Privatlehrer unterrichtet worden. Federico und Lorenzo
waren als Kinder beim Besuchen der Großeltern gerne hierher gekommen, weil die
Atmosphäre so ganz anders war als in ihrer Schule. Daran knüpften sich auch ihre ganzen
Erinnerungen. Aufmerksam hatten sie den Erzählungen des Großvaters gelauscht, der so
manche Geschichte von der früher wesentlich strengeren Erziehung zu berichten wusste. Die
Gemelli, die selbst nie von ihren Eltern geschlagen wurden, obwohl sie besonders im Alter
von acht bis vierzehn Jahren manchen Unfug anstellten, waren ebenso verschreckt wie
fasziniert von den Berichten über Züchtigungen mit Lineal und Rohrstock, die der Großvater
bereitwillig immer wieder zum Besten gab.
Federico sah sich aufmerksam um. »Ich möchte, dass alles auf Hochglanz gebracht wird,
denn ab sofort werden diese Zimmer wieder benutzt. Also nehmt die Abdecktücher von den
Möbeln und macht gründlich sauber. Es dürfte wohl klar sein, dass ihr das alleine schaffen
müsst, weil außer euch niemand hier herein darf!«
Während es Giovanni gelang, seine immer gleichgültige, fast hochmütig wirkende Miene
beizubehalten, war es Antonella anzusehen, dass sie auf eine Erklärung hoffte. Aber Federico
ignorierte ihre fragende Miene.
»So, und dann will ich in nächster Zeit ein paar Änderungen, so schnell wie möglich,
eigentlich bis Ende der Woche. Fangen wir gleich hier an. Die Einrichtung des Schulzimmers
bleibt wie sie ist. Aber ich möchte, dass die Wände in einem freundlichen Pastellgelb frisch
gestrichen werden, und das alte Parkett frisch geölt wird. Für die Wandtafel muss ein neuer
Schwamm und Kreide besorgt werden. Außerdem benötigen wir folgende Bücher und
Landkarten.«
Er reichte Giovanni, der gerade Notizzettel und Bleistift aus seiner Jackentasche
hervorholte, um sich sicherheitshalber alle anstehenden Aufgaben zu notieren, eine Liste der
zu besorgenden Gegenstände.
»In ein paar Tagen wird hier wieder der Wind des strengen Unterrichts wehen«, verkündete
er mit einem geheimnisvollen Grinsen. »Ach ja, ganz wichtig Giovanni: Besorgen Sie ein
paar neue Rohrstöcke und wässern Sie diese gut. Ich denke, dass alles, was wir noch hier
haben, staubtrocken und unbrauchbar ist.«
Nun machte sogar Giovanni ein erstauntes Gesicht, was von Federico großzügig ignoriert
wurde. Ihm war die heimliche Leidenschaft der Brüder nicht unbekannt, hatten sie ihn doch
schon früher auf delikate Einkäufe geschickt, aber er hatte auch mitbekommen, dass die
passenden Frauen für diese Spiele fehlten.
Federico schlenderte mit vergnügter Miene in das nächste Zimmer und empfand einen
höllischen Spaß dabei, die beiden vor Neugierde fast platzen zu sehen.
»Hm, wie wirkt dieses Zimmer auf Sie, Antonella?«, fragte er und drehte sich um, um sie
anzuschauen.
»Es war zuletzt das Jugendzimmer Ihrer Frau Mutter, Signor Federico, und davor das Ihrer
Großmutter, und genauso sieht es auch aus: wie ein Mädchenzimmer aus längst vergangenen
Tagen.« Sie verkniff sich die Kritik, dass das Kinderzimmer seiner Tante Ilaria genauso schön
ausgesehen hatte, ehe er es eigenmächtig umgestaltet hatte.
Federico nickte. »Genau. Dieses Flair möchte ich erhalten, aber sorgen Sie dafür, dass das
Bett immer frisch bezogen ist, Antonella, falls es einmal benötigt wird. Gehen wir weiter.«
Antonella war für einen Augenblick vollkommen überfordert. Sie fragte sich voller
Neugierde, was dies alles wohl bedeuten sollte, und blieb stehen. Dann spürte sie Giovannis
Hand im Rücken, der halb hinter ihr stand und ihr einen sanften Schubs gab.
Federico betrat den nebenan liegenden Raum, der einstmals Ilarias
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