Verführung Der Unschuld
beneidet.
Was für ein schöner Mann , dachte Giulia verträumt, während sie kaum zu atmen wagte. Warum kann es nicht sein, dass wir einander ganz und gar gehören, für immer und ewig? Sie
hätte viel darum gegeben zu erfahren, was gerade in seinem Kopf vor sich ging, und sie wäre
angenehm überrascht gewesen. Lorenzo oder Federico, Federico oder Lorenzo? Wen von
beiden liebte sie denn nun eigentlich mehr?
Was für ein süßes Mädchen, ach was Mädchen – was für eine reizende, überaus attraktive
junge Frau , dachte Lorenzo, während er sich bemühte, diese verflixt kleinen Knöpfe durch
die seiner Meinung nach viel zu engen Knopflöcher zu schieben. Er meinte, über zwei linke
Hände zu verfügen. Wie hingebungsvoll sie ist! Wir haben sie zu unserer Geliebten und
Spielgefährtin auserkoren, haben sie uns gefügig gemacht, und es scheint ihr zu gefallen.
Aber dabei wissen wir nach wie vor fast gar nichts über sie. Eigentlich schade …
Federicos Stimme riss die beiden aus ihren Betrachtungen, und sie zuckten fast synchron
zusammen. Giulia schenkte ihm ein bezauberndes, dankbares Lächeln, in dem ihre ganze
Glückseligkeit lag, dann schauten beide Federico an.
»Giulia muss noch ihre nächste Aufgabe erhalten!«
Lorenzo sah bedauernd zu, wie der Zauber ihres Lächelns schlagartig erstarb.
»Sollten wir nicht eine Runde aussetzen?«, fragte er und streichelte beruhigend über ihre
Wange.
»Warum? Ich gebe ihr zwei Wochen Zeit, das ist mehr als genug. Lern bis dahin aus dem
Geschichtsbuch die Seiten fünfundfünfzig bis achtundneunzig, Giulia.«
Auf dem Rückweg zu ihrem Zimmer begegnete sie Giovanni. Ein flüchtiges Nicken, ein
kaum merkliches Lächeln, das war alles. Ob er ihr wohl anmerkte, was geschehen war? Sie
fühlte sich immer noch erhitzt, aufgeputscht, aber auch erschöpft.
Kapitel 14
Auf den erotischen Spuren der Geschichte
Die nächsten Treffen fanden mal im Pavillon statt, mal im »Spielzimmer« und Giulia wusste
nie, ob sie Federico antreffen würde oder Lorenzo oder beide. Es war ihr egal. Alles war
furchtbar aufregend gewesen, und sie wurde süchtiger und süchtiger danach. Den ganzen Tag
über fieberte sie diesem Augenblick entgegen und hatte Mühe, konzentriert und sorgfältig
ihren Aufgaben nachzugehen. Jede Begegnung war ein Rausch der Sinne, voller
fantasievoller Liebkosungen, keine einzige beinhaltete eine Züchtigung, von ein paar
zärtlichen, wohlmeinenden Klapsen abgesehen. Federico und Lorenzo hatten beschlossen,
jegliche Züchtigungen aufzusparen, wenn sie sich jeden zweiten Freitag im Schulzimmer
treffen würden, um Giulia auszufragen. Gesetzt den Fall, sie wäre eines Tages wider Erwarten
in der Lage, alle Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen, so würde ihnen bestimmt trotzdem ein
Grund einfallen, eine erotische Züchtigung durchzuführen.
Giulia litt dabei unter einem gewissen Maß an Herz-Schmerz, weil es außer diesen Treffen
nichts gab. Kein Händchenhalten, kein gemeinsames Spazierengehen, keine Einkaufsbummel,
keine Ausflüge, keine Liebesschwüre. Aber sie verdrängte diese Gedanken, so gut es ging.
Wusste sie selbst doch nicht einmal, welchen der Gemelli sie liebte – oder war es möglich, für
zwei Männer Gefühle mit derselben Intensität zu empfinden?
Anfänglich hatte sie geglaubt, die beiden wären in ihrem Verhalten und ihren Begierden
gleich. Sie hatte sogar gemeint, Lorenzo wäre der Härtere der beiden. Aber mittlerweile hatte
sie den Eindruck gewonnen, dass Lorenzo seinen Bruder manchmal gerne gebremst hätte und
eher auf softere Liebesspiele stand.
Doch nicht nur Giulia fieberte dem Abend entgegen. Noch mochten Federico und Lorenzo
es sich nicht eingestehen, aber wenn Giulia plötzlich nicht mehr da gewesen wäre, wären sie
in ein emotionales Loch gefallen. Wenn sie morgens aufwachten, freuten sie sich bereits
darauf, von ihr bedient zu werden. Die Entscheidung, wer von ihnen sich mit ihr traf oder
beide, wurde von Tag zu Tag schwieriger und wurde oftmals von ihren Kunden bestimmt, die
manchmal nur abends für einen Termin Zeit hatten – und dann musste eben einer von ihnen in
den mitunter sauer schmeckenden Apfel beißen. Und tatsächlich fühlte manchmal der andere
die wurmstichige Frucht der Eifersucht.
Giulia rekelte sich. Der Wecker hatte bereits vor fünf Minuten geläutet, und wenn sie noch
lange herumtrödelte, würde die Zeit knapp werden. Aber es war gerade sehr gemütlich und
angenehm, noch ein paar Minütchen des Nichtstuns zu
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