Verführung erster Klasse 2 - Die Wandlung
lag ein wahnsinniges Funkeln in Harkins Augen, das
Ardat schon öfters gesehen hatte. Es war gezeichnet von
Jahren der Unterdrückung und dem Hass, den auch er selbst
nur allzu oft verspürte. Nichtsdestotrotz wusste er auch,
was passieren würde, sobald jemand aufgrund dieser Gefühle
handelte.
»Was würde das bringen?«, fragte er. »Nichts als
Instabilität. Oder hast du etwa nicht mitbekommen, was in
den letzten paar hundert Jahren geschehen ist, wann immer
jemand versucht hatte, in die Menschenwelt vorzudringen? Wir
können ohne diese Energie nicht leben.«
»Das sind doch Märchen! Du glaubst doch nicht wirklich
daran, was in diesen staubigen Büchern steht. Mit dieser
Macht könnten wir endlich an der Macht sein. Du würdest
allen zeigen, was ihr reines Blut wirklich wert ist!«
Ardat gab es nur ungern zu, aber Harkins Vorschlag hatte
etwas Verlockendes. Teds Fähigkeiten könnten tatsächlich
ganz neue Wege für sie eröffnen. Sie könnten die alte
Ordnung bis in ihre Grundfesten erschüttern. Allerdings
bezweifelte er stark, dass diese Geschichten der
Energiequellen alle gelogen waren. Warum sollte irgendjemand
darauf verzichten wollen, in größeren Gebieten zu leben?
Warum sollte man die Schriften fälschen?
»So etwas haben schon viele versucht. Was auch immer der
Mensch kann, er wird kaum unser ganzes Volk dazu befähigen,
in der Menschenwelt zu leben. Wenn wir das tun, werden wir
nur schwächer und das können die Menschen ausnutzen, sobald
sie von unserer Existenz erfahren.«
»Besser etwas riskieren als ewig so eingepfercht, wie
elendiges Vieh zu leben!«
»Dein Hochmut wird dich irgendwann einmal umbringen,
Wolf. Aber danke, dass du mir deinen Plan verraten hast. Wir
wissen, dass du es bist.«
Harkin sah ehrlich verblüfft aus. »Dass ich
was
bin?«
»Stell dich nicht dumm! Als Ted gefangen war, hat Anja
mit jemandem in einem Umhang geredet. Diese Person hatte
einen Ring am Finger, den Ring des Rates. Nach dem, was du
mir gerade erzählt hast ...«
»Was? Ich war nie in dem Wald, das musst du mir glauben!«
Ardat winkte ab. »Das ist nun ohnehin bedeutungslos. Ich
werde gleich die einzige Person befragen, die mit völliger
Sicherheit sagen kann, wer vom Rat für das Ganze
verantwortlich ist.«
»Dann willst du es also einfach akzeptieren? Dass dein
Bruder mit einem Menschen zusammen ist und wir uns
verstecken müssen?«
Ardat biss die Zähne zusammen, sagte aber nichts und ließ
Harkin hinter sich zurück. Nach ein paar Sekunden lauschte
er, ob der Wolf ihm folgte, und atmete erleichtert auf, als
er keine schweren Schritte hinter sich hörte.
Er bog um eine Ecke, von der er wusste, dass sie zu einer
Treppe führte, die ihn direkt in den Untergrund der Hallen
brachte. Der Weg war lang und mit jedem Schritt die steilen
Stufen hinunter, schien die Dunkelheit zuzunehmen. Nur
einzelne Fackeln erhellten die uralten Gänge, in denen
üblicherweise nur Verbrecher und diejenigen traten, die sich
um diese kümmern mussten.
Unten angekommen schlich Ardat durch die unterirdischen
Wege der Silberhallen. Hier wurden die Regelverstößer
gefangen gehalten, dessen eigene Rasse sie nicht selbst
bestrafen konnte oder wollte.
Nur einmal war Ardat hier gewesen. Damals hatte ihn sein
Vater hierher gebracht, um ihm zu zeigen, was passieren
würde, wenn er sein Verhalten den Menschen gegenüber nicht
ändern würde.
Sirenen bestraften einander nicht durch Schmerz oder Tod.
Für Kreaturen, die durch die Nähe anderer lebten, gab es
nichts Schlimmeres, als verstoßen zu werden. Es war ihr
Schicksal in den Tiefen dieses Berges zu leben, sich nur
noch von Nahrungsmitteln zu ernähren und nie wieder die
Energie eines Menschen aufnehmen zu können. Da sie hier
einer der Quellen sehr nah waren, konnten sie überleben,
waren aber dabei sehr schwach.
Dennoch hatte Ardat die Aussage seines Vaters beruhigt.
Er wurde lieber von Sirenen bestraft, als von den Incubi und
Succubi. Diese Kreaturen, die durch sexuelle Träume lebten
und denen Ardat zur Hälfte angehörte, zerfleischten nur zu
gerne Regelbrecher, anstatt ihnen einen fairen Prozess zu
ermöglichen.
Sein Weg führte ihn vorbei an rastlosen Geschöpfen, die
in ihren Gefängnissen auf und ab liefen. Der Gang war breit
genug, um in seiner Mitte gefahrlos an ihnen vorbeizugehen.
Nur ab und zu riskierte Ardat einen Blick zwischen die
Gitterstäbe in die dunklen Verliese hinein. Einige riefen
ihm
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