Verführung erster Klasse 2 - Die Wandlung
zu, bettelten um Gnade, während sie die Hände nach ihm
ausstreckten, doch Ardat ignorierte sie. Ihnen musste
bewusst sein, dass er nichts für sie tun konnte.
Wahrscheinlich klammerten sie sich nur an jeden noch so
kleinen Hoffnungsschimmer.
Anjas Gefängnis befand sich ganz am Ende des Ganges.
Durch die Schwere ihrer Vergehen und die magischen Kräfte,
die jeder fürchtete, gab es extra Sicherheitsvorkehrungen.
Feen hatten einen Schutzwall um sie herum errichtet. Ardat
konnte ihn schon von weitem sehen. Er war unsichtbar,
schimmerte jedoch leicht in verschiedenen Farben, wenn man
den Kopf bewegte.
Natürlich hatte Anja keine Kräfte mehr, vor denen man
sich schützen musste, aber niemand vertraute darauf, dass
sich das nicht bald wieder ändern würde. Keiner verstand,
wie Ted ihr überhaupt die Zauberkräfte nehmen konnte und
sowohl Zephir als auch Ephelia konnten dank ihres Vaters
schnell genug verschwinden, bevor sie Fragen zu beantworten
hatten. Vermutlich hatte niemand außer Katrinas Männern
bisher versucht, sie zur Befragung in die Hallen zu
bekommen, weil sie fürchteten, dass auch sie von Ted
geschwächt werden konnten. Dennoch war es nur eine Frage der
Zeit.
Ardat trat an den Wall heran und blickte durch die
schimmernde Barriere. Anja hatte sich hinten in einer Ecke
der Zelle zusammengerollt. Sie starrte an die Wand und
schien ihn überhaupt nicht zu bemerken.
»Anja?«
Sie gab kein Zeichen, dass sie ihn hörte, doch irgendwie
meinte Ardat zu spüren, dass er ihre Aufmerksamkeit hatte.
»Du musst mir sagen, mit wem du zusammengearbeitet hast.
Eine ganze Menge hängt davon ab.«
Sie rührte sich nicht, aber antwortete nach kurzer Zeit.
»Ich kann nicht«, flüsterte sie so leise, dass Ardat sie
kaum verstand.
»Du musst aber. Es hängt nicht nur das Schicksal von
meinem Bruder davon ab. Weißt du eigentlich, was alles
passieren kann, wenn jemand Teds neue Kräfte missbraucht?«
Sie lachte fast unmerklich aber dennoch spöttisch auf.
»Natürlich. Aber warum sollte es mich interessieren? Ich
habe keinen Platz in dieser Welt.«
»Du könntest immer noch das Richtige tun.«
»Du verstehst nicht!« Ardat wich zurück, als sie auf
einmal auf die Barriere zustürmte. Ihre Augen waren weit
aufgerissen und ihre Hände pressten sich gegen die
unsichtbare Wand.
»Seitdem der Mensch mir meine Kräfte genommen hat, ist
alles so anders. Ich verstehe meine Gedanken nicht mehr.«
Ihre Stimme überschlug sich fast, so schnell und wirr waren
ihre Worte. Ihre Augen huschten hin und her. »Ständig muss
ich daran denken, was ich getan habe. Vorher hat mich doch
nur interessiert, mich zu rächen. Aber jetzt tut es mir
leid, dass ich den Menschen entführt habe. Oder diese ganzen
Kreaturen, die ich geschaffen habe, nur um sie nach ein paar
Stunden sterben zu lassen. Warum denke ich so? Warum?«
Darauf hatte Ardat keine Antwort. Anja schien noch
verrückter zu sein, als vorher. Ständig schaute sie von
einer Seite zur anderen, nur selten fokussierten sich ihre
Augen auf sein Gesicht. Dennoch lag etwas Weiches in ihrer
Stimme, das er zuvor noch nicht von ihr gehört hatte.
»Du bist wirklich anders. Hat Ted dich etwa ...
verwandelt? Oder verflucht?«
»Nein, es ist nicht Magie, die er verwendet hat. Es war
etwas anderes, etwas sehr altes. Das konnte ich spüren! Ich
fühle mich, als ob sich etwas tief in mir verändert hätte.
Es ist so komisch, ich verstehe es nicht! Aber es fühlt sich
nicht fremd an, sondern so als ob ich nun endlich die wäre,
die ich sein sollte.«
Sie lächelte schief und Ardat bezweifelte stark, dass ihr
wirkliches Ich das einer Verrückten sein sollte. Was er
allerdings vermutete, war, dass diese plötzliche Veränderung
ihren Verstand verwirrte.
Er erinnerte sich auch daran, dass Zephir auf dem Weg
zurück von der Ruine von einem Text gesprochen hatte, indem
ein anderer Mensch einer Hexe ihre Kräfte nahm. Auch diese
Hexe sollte sich danach befreit und vollkommen anders
gefühlt haben. War hier das Gleiche geschehen?
»Was genau hast du eigentlich vorgehabt?«, fragte Ardat.
»Was wolltest du mit deinem Handeln bezwecken?«
»Der Mensch konnte Monstern Energie geben, damit sie in
der Menschenwelt leben konnten. Ich sollte eine Möglichkeit
schaffen, dass wir die Menschen unterwerfen können.«
»Aber warum? Ich dachte, du wolltest nur deine Familie
rächen?«
Anja wich etwas zurück. Sie sah ängstlich aus. »Es wurde
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