Verfuehrung im Harem
glücklich ich bin, die Tochter meiner Schwester kennenzulernen“, begrüßte sie ihre Nichte herzlich.
„Und ich bin genauso überglücklich, die andere Schwester meiner Mutter kennenzulernen. Du siehst ihr zum Verwechseln ähnlich …“ Jessica versagte die Stimme, sie legte die Hand auf die Lippen.
Und dann sanken sie sich in die Arme.
„Bei Aminah war ich auch schon“, sagte sie nach einer ganzen Zeit und löste sich aus der Umarmung.
„Wie geht es ihr und ihrer Familie?“
„Gut. Sie vermisst ihre Töchter“, antwortete Jessica und warf Kardahl einen leicht vorwurfsvollen Blick zu. „Entschuldigt, ich sollte euch einander vorstellen. Das ist mein Mann Kardahl Hourani …“
„Ja, in den Nachrichten wurde über eure Hochzeit berichtet“, unterbrach Janan sie.
Kardahl reichte ihr die Hand. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Fahrani.“
„Ganz meinerseits, Königliche Hoheit“, begrüßte Janan ihn. „Leider konnte ich Sie und meine Nichte nicht in der Hauptstadt treffen. Meine Arbeit erfordert meine ständige Anwesenheit. Es tut mir leid, dass Sie den ganzen Weg bis hierher machen mussten.“
„Das war kein Problem“, mischte Jessica sich ein. „Wir sind mit dem Flieger gekommen, Kardahl ist ein guter Pilot.“
Ihre Tante lachte. „Dennoch bin ich Ihnen dankbar, dass Sie meine Nichte zu mir gebracht haben“, sagte sie an Kardahl gewandt.
„Ja, das finde ich auch“, stimmte Jessica ihr zu und sah ihn an.
„Sind Sie mir immer noch dankbar, wenn ich Ihnen verrate, dass ich meine Frau nur beeindrucken wollte?“, fragte er scherzhaft.
„Ich bezweifle, dass Sie es nur deshalb getan haben“, erwiderte die Ärztin. Dann blickte sie Jessica an. „Ich habe mit meinen Eltern gesprochen und soll dir sagen, dass sie bald wieder zu Hause sind und dich unbedingt sehen wollen. Sie können leider ihre Auslandsreise nicht abbrechen, hätten es aber gern ihrer Enkelin zuliebe getan.“
Jessica schluckte hart. „Man hat mir berichtet, sie hätten meine Mutter jahrelang gesucht. Sie hatte ihren Familiennamen geändert, wahrscheinlich war sie deshalb nicht aufzufinden.“
Janan seufzte. „Ich wünschte, alles wäre anders gekommen, doch wir können es leider nicht mehr ändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Jedenfalls bin ich sehr glücklich, dass du mit deinem Mann gekommen bist.“
„Würde es Ihnen etwas ausmachen, uns durch das Krankenhaus zu führen?“, fragte Kardahl. „Ich würde mir gern alles ansehen.“
In ihren beinah schwarzen Augen leuchtete es stolz auf. „Selbstverständlich zeige ich Ihnen alles.“
Eine Stunde lang führte sie Kardahl und Jessica durch die verschiedenen Stationen, wies sie auf die modernen Ge räte hin und erklärte ihnen alles Wissenswerte.
„Das Beste habe ich mir bis zuletzt aufbewahrt“, verkündete sie schließlich, während sie über einen der breiten, langen Flure gingen. Dann öffnete sie die Tür vor ihnen mit ihrer Chipkarte. Durch das breite Glasfenster links neben ihnen erblickten sie eine ganze Reihe Babybettchen mit vielen Neugeborenen, die von Kinderschwestern versorgt wurden.
„Das ist unser Babyzimmer“, sagte Janan.
Jessica stellte sich an das Fenster und betrachtete die Kleinen. „Sie sind so niedlich.“
„Ja, Kinder sind unser wertvollstes Gut“, stellte ihre Tante fest.
„Das habe ich auch schon zu Kardahl gesagt“, erwiderte Jessica.
Er stellte sich neben sie und beobachtete die Babys. Einige schrien und bewegten die kleinen Fäuste hin und her, andere schliefen und wirkten rührend unschuldig. Ihn durchzuckte ein brennender Schmerz, der so heftig war wie noch nie zuvor, während er Jessicas Worte wie aus weiter Ferne hörte. Noch nie hatte er sich vorgestellt, wie sein Sohn oder seine Tochter vielleicht ausgesehen hätte. Jetzt wusste er, warum nicht: Er hatte nicht darüber nachdenken wollen, was er verloren hatte.
Bis zu diesem Augenblick war es ihm gelungen, den Schmerz und Kummer über den Verlust des ungeborenen Kindes tief in seinem Innern zu vergraben. Doch plötzlich brach es mit aller Macht aus ihm heraus, und er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
Schweigend drehte er sich um und ließ die beiden Frauen allein.
9. KAPITEL
„Kardahl, warte bitte!“, rief Jessica aus.
„Ich muss allein sein.“
„Was hast du?“ Sekundenlang stand sie vor lauter Verblüffung reglos da, doch dann lief sie hinter ihm her. Als sie ihn einholte, konnte sie gerade noch seine finstere Miene
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