Verfuehrung im Palast der Liebe
eines Maharadschas, sie die Tochter einer drogenabhängigen Prostituierten. Er war ein Mann, sie eine Frau, und wenn er sie berührte … Nein, daran durfte sie nicht denken!
Kinder in Schuluniformen kamen aus einem nahe gelegenen Schulgebäude, paarweise Hand in Hand im Gänsemarsch.
„Seit seinem Amtsantritt hat mein Bruder mehrere Reformen eingeführt“, ließ Jay Keira wissen. „Dazu gehört auch die gesetzlich verankerte Garantie, dass jedes Kind eine Schulbildung erhält. Er sagt, es sei die beste Investition, die nicht nur die Zukunft unseres Stadtstaates sichert, sondern die ganz Indiens.“
Sie hatten den Basar erreicht. Keira blieb stehen und nahm die Bilder und Aromen in sich auf. Breite Banner aus prächtiger Seide hingen an der offenen Tür eines Ladens, gegenüber bot ein Händler seine Waren aus geschlagenem Kupfer und Messing an. An einem Juwelierladen wurden die Rollläden hochgezogen, die Edelsteine fingen die Sonnenstrahlen des Nachmittags ein und warfen sie blitzend zurück. Aus einem Kräuterladen wehten würzige Aromen auf die Straße.
Die Kinder, aus der ordentlichen Reihe entlassen, rannten durch die Gassen nach Hause, ihr fröhliches Lachen hallte an den Häuserwänden wider. Drei junge Hindumönche in orangefarbenen Gewändern gingen an ihnen vorbei, ihre heiligen Gesänge murmelnd.
Stunden später standen sie im Lager eines Stoffhändlers, und Keira musste zugeben, dass Jay bei seiner Suche nach Lieferanten mit äußerster Gründlichkeit vorgegangen war. Der Händler holte dicke Musterbücher hervor und erzählte ihnen, dass sein Cousin in der Nachbarstadt eine eigene Fabrik besaß, in der die Stoffe hergestellt wurden. Der Kunde könne Qualität, Muster und Farben nach eigenem Wunsch bestellen.
Die Tochter des Händlers kam und brachte ihnen erfrischenden Tee. Zwei kleine Kinder klammerten sich an ihren Sari, das jüngere, ein kleines Mädchen mit riesengroßen braunen Augen, lernte gerade erst laufen. Als die Kleine das Gleichgewicht verlor, reagierte Keira automatisch und fing das Mädchen auf, bevor es fallen konnte. Gab es überhaupt etwas Schöneres, als ein Kind in den Armen zu halten?, fragte Keira sich mit einem warmen Gefühl, als die Kleine sie schüchtern anlächelte. Und dann erfüllte sie eine endlose Traurigkeit. Niemals würde sie ein eigenes Kind haben, das sie so halten konnte.
Jay hatte die kleine Szene mitverfolgt und fragte sich, was dieser Ausdruck auf Keiras Miene bedeuten mochte. Gleichzeitig rügte er sich, warum es ihn interessieren sollte. Diese Frau bedeutete ihm doch nichts, und das würde sich auch nicht ändern.
Der Händler sicherte Keira gerade zu, dass er, wenn sie ihm Skizzen von ihren Vorstellungen überlassen würde, damit erste Stoffmuster für sie weben lassen konnte. Keira übergab das Mädchen seiner Mutter und nahm Notizblock und Stift hervor, ging das Musterbuch durch und gab sich jetzt völlig auf die Sache konzentriert und sachlich.
Jay musste zugeben, dass sie gut mit Menschen umgehen konnte. Sie respektierte deren Expertise, und im Gegenzug wurde sie für ihr Können respektiert. Für ihn war es enorm wichtig, dass dieses Projekt ein Erfolg wurde. Nicht nur irgendein Erfolg, es sollte zukunftsweisende Wirkung haben. Das verlangten sein Erbe, sein Charakter und sein Stolz von ihm. Natürlich gab es da auch jene, die darauf hofften, er möge versagen. Doch das würde nicht passieren, dafür würde er sorgen. Er hatte noch nie verloren, in keiner Hinsicht. Und diese Frau würde es ebenso einsehen müssen wie seine Konkurrenten.
Obwohl Keira ihn auf einer persönlichen Ebene provozierte und reizte, fand er an ihrer Arbeit nicht das Geringste auszusetzen. Zwar wusste er nicht, wie es ihr gelang, doch sie formte ein Bild und eine Atmosphäre für die Apartments, die die perfekte Kombination aus moderner Lebensart und indischer Tradition darstellten. Während sie von Händler zu Händler gegangen waren, hatte er beobachten können, wie professionell sie die Stoffe und Dekorationen begutachtete, wie ihr spontan Ideen kamen und wie sie diese Ideen jenen mitteilen konnte, mit denen sie sprach. Und mit jedem Besuch nahm das Resultat genauere Formen an.
Sie war perfekt für diesen Auftrag. Genau, wie Sayeed gesagt hatte.
Keira dankte dem Stoffhändler und erhob sich von dem Sitzkissen mit der fließenden Bewegung, die sie bei Shalini abgeschaut hatte. Die helfende Hand, die Jay ihr entgegenhielt, ignorierte sie bewusst. Das Letzte, was sie
Weitere Kostenlose Bücher