Verfuehrung im Palast der Liebe
riskieren konnte, war Körperkontakt mit ihm, auch wenn ihr das einen grimmigen Blick mit zusammengepressten Lippen von ihm einbrachte. Sie konnte sich keinen Auftrag vorstellen, der ihr mehr Freude machen würde, es war ein wahr gewordener Traum, vor allem jetzt, da sie die Möglichkeiten kannte, die ihr zur Verfügung standen … Jays Präsenz allerdings machte das Ganze zu einem Albtraum.
Morgen fuhr er ja erst einmal weg, erinnerte sie sich. Sie würde sich in die Arbeit stürzen, sodass sie gar keine Zeit hatte, auch nur einen Gedanken auf ihn zu verwenden oder sich Sorgen über ihre Reaktion auf ihn zu machen.
Die Dämmerung war inzwischen hereingebrochen, die bunten Straßenlaternen leuchteten auf. Auf dem kleinen Marktplatz saßen Männer an einem Tisch und rauchten Wasserpfeife, die Farben ihrer Turbane warfen das Licht der Laternen zurück. Eine Gruppe junger Tänzerinnen in prächtigen Gewändern lief über den Platz, wohl auf dem Weg zu einem der vielen Restaurants, um die Gäste zu unterhalten.
Die laue Abendluft war gefüllt mit den Aromen, Bildern und Geräuschen Indiens. Sie pulsierten und nahmen Formen an, füllten sich mit eigenem Leben. Ein Leben, das durch das sanfte Wesen der Menschen umso faszinierender wurde.
Jay wurde von einem Mann begrüßt und blieb stehen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Keira erblickte auf der anderen Seite des Marktes einen Antiquitätenladen und nutzte die Gelegenheit, um ihn sich anzusehen. Antiquitäten- und Kramläden hatte sie noch nie widerstehen können.
Ein großer Teenager, mit allen Anlagen, ein attraktiver Mann zu werden, vertrat offensichtlich den Ladenbesitzer und begrüßte sie eher argwöhnisch. Älter als siebzehn konnte er nicht sein, und Keira war nicht beleidigt. Wahrscheinlich begegneten ihm nur selten westliche Frauen, und so war es nur verständlich, wenn er vorsichtig war.
Es war wohl doch eher ein Kramladen, und Keira wandte sich schon zum Gehen, als ihr eine Schachtel voll alter Schwarzweißfotos auffiel. Sie steuerte darauf zu, doch der Junge war schneller, hob die Schachtel auf und reichte sie Keira.
Keiras Begeisterung wuchs, als sie den Inhalt des Kistchens durchsah. Da gab es Postkarten von Palästen und Porträts von Maharadschas. Ordentlich gerahmt würden diese Bilder einen wunderbaren Wandschmuck für die Apartments bilden.
„Wie viel für alle?“, fragte sie den Jungen.
„Für Sie, schöne Dame, nur eintausend Rupien.“
Keira kannte die Regeln des Handelns, und so schüttelte sie den Kopf. „Viel zu viel“, entgegnete sie fest und bot weniger als die Hälfte.
„Nein, tausend Rupien sind ein guter Preis.“ Der Junge trat auf sie zu, als wolle er damit seinen Worten mehr Ausdruck verleihen. „Sie gefallen mir, Sie sind sehr hübsch. Machen Sie hier Urlaub? Haben Sie einen Freund?“
Keiras Laune sank. Ach du meine Güte! Vielleicht hätte sie das voraussehen müssen, aber wie hätte sie so etwas ahnen können? „Ich komme besser später wieder …“, setzte sie an und brach empört ab, als er sie beim Arm festhielt.
„Nein bitte, bleiben Sie“, bat er. „Ich gebe Ihnen die Fotos, wenn Sie sie haben wollen …“
Das wurde ja immer schlimmer. Zum Glück tauchte in diesem Moment ein Mann auf, der wohl der Vater des Jungen sein musste … und Jay ebenfalls!
„Was geht hier vor?“, verlangte Jay zu wissen.
„Ich hätte gern diese Fotos gekauft“, antwortete Keira. Sie wollte den Jungen nicht in Schwierigkeiten bringen.
Jay wickelte den Kauf ab, überreichte die angemessene Summe und schob Keira zum Laden hinaus.
Sie konnte spüren, dass er verärgert war, aber sie war nicht vorbereitet auf die Strafpredigt, die sie erwartete, sobald sie zurück im Palast waren.
„Sie können es einfach nicht lassen, nicht wahr?“, herrschte er sie an. „Nicht einmal bei einem Jungen, der kaum trocken hinter den Ohren ist. Sie flirten mit ihm und …“
Die Lampen warfen lange Schatten auf den langen Korridor, der von der Eingangshalle zu den verschiedenen Gemächern führte. Zu gern hätte Keira sich in diese Schatten zurückgezogen, um der angespannten Stimmung zu entkommen, doch eine solche Anschuldigung konnte sie nicht auf sich sitzen lassen.
„Ich habe nicht mit ihm geflirtet“, verteidigte sie sich entschieden.
„Natürlich haben Sie. Sie haben den Jungen gereizt, genau wie Sie …“ Jay hielt abrupt inne, doch Keira wusste auch so, was er hatte sagen wollen – wie sie ihm schöne Augen gemacht
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