Verfuehrung im Palast der Liebe
wollte, konnte er auch ein paar Tage dranhängen und länger bleiben. Länger? Seit wann brauchte es mehr als eine Nacht mit einer Frau, um sein Verlangen nach ihr erlöschen zu lassen? War das nicht genau der Grund, warum ihn dieses Ritual inzwischen langweilte? Vorzugeben, eine Frau erobern zu müssen, wenn sie doch bereits unmissverständliche Signale aussandte, dass sie für ihn zu haben war? Sie zu besitzen, nur um dann festzustellen, dass er, wie ein Tiger, der gefüttert wurde, aber die Jagd vermisste, satt und doch unbefriedigt war? Kein Wunder, dass die Enthaltsamkeit während der letzten Monate seine einzige Partnerin im Bett gewesen war.
Und war es nicht genau diese Enthaltsamkeit, die schuld war an dem glühenden Verlangen nach Keira?
Keira.
Damit schloss sich der Kreis. Sein Körper schmerzte höllisch. Jay warf die Bettdecke zurück, griff nach den Unterlagen und ging nackt, wie er war, zum Schreibtisch. Er zog einen Bademantel über und schaltete seinen Laptop ein. Er würde tun, was er tun musste, um Keira aus seinen Gedanken zu vertreiben.
Entschlossen stürzte er sich in seine Arbeit.
„Oh, ich liebe dieses Tuch.“ Keira wurde immer begeisterter, während sie das Stoffmuster begutachtete. Das Muster zeigte indische Paläste, Affen und Elefanten, gedruckt auf heller Baumwolle.
„Das habe ich entworfen“, sagte Alex Jardine lächelnd. „Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, auf einem Antikmarkt in Frankreich originale Kupferrollen für Toile zu finden. Als ich sie hier Arjun zeigte und ihm erklärte, was ich vorhatte, besorgte er einen Handwerker, der die Rollen kopierte, damit wir sie für die Stoffproduktion einsetzen können. Das ist eine von vieren, mit denen wir im Moment hier für die Entwürfe experimentieren, zwei traditionelle – das hier ist eines davon – und zwei modernere.“
Keira nickte fasziniert, ohne den Blick zu heben.
„Wir versuchen auch etwas mit Kajal und Holzkohle“, fuhr Alex mit seiner Erläuterung fort. „Um den Stoff schwarz einzufärben und damit dramatischer zu machen. Ich hoffe, wir werden vielleicht auch noch ein paar bekannte Bollywood-Motive mit einflechten können, aber Arjun meinte, wir sollten erst einmal den Verkauf abwarten.“
Gleich beim ersten Schritt, den Keira in die Stofffabrik setzte, hatte sie das Gefühl gehabt, in ihre ganze eigene Schatzhöhle zu treten, so wie Aladin. Stoffballen in allen Qualitäten und Farben waren bis unter die Decke gestapelt, unzählige Schattierungen von kräftigem Rot, Jadegrün und Saphirblau, mit und ohne Gold- und Silberfäden, Farben des Meeres und des Himmels und der Erde und verschiedene Nuancen von Schwarz und Weiß. Sie kam sich vor wie ein Kind im Süßwarenladen. Und ihr Entzücken war umso intensiver, da sie in Alex einen Menschen getroffen hatte, der mit seinen Ideen auf der gleichen Wellenlänge schwamm wie sie.
Anfangs war sie mehr als nur ein wenig argwöhnisch gewesen. Groß, mit langen dunklen Locken, in weißer weiter Leinenhose und mit bloßen Füßen präsentierte Alex für sie den Möchtegern-Aussteiger der Londoner Upper Class. Da war einfach zu viel „Hippie“ an ihm, als dass es echt auf sie wirkte. Doch dann hatte er ihr seine Stoffe gezeigt. Seine großen Hände strichen fast zärtlich über das Material, seine Stimme wurde sanfter, als er über dessen Herstellung berichtete und sein eigenes Bedürfnis beschrieb, die althergebrachte Tradition zu wahren und dennoch moderne Einflüsse zu realisieren. Keira war verzaubert und hingerissen.
„Ich finde es toll, was Sie hier machen“, versicherte Keira. „Am liebsten würde ich das ganze Lager für das neue Projekt aufkaufen, doch dazu fehlt mir leider die Befugnis.“
„Wir geben Ihnen die Muster mit, und dann können Sie sie Seiner Königlichen Hoheit Prinz Jayesh vorlegen“, beeilte sich der Fabrikbesitzer zu sagen.
„Arjun wird Sie nicht gehen lassen, bevor Sie nicht die Arme voll mit Stoffmustern haben“, warnte Alex lachend und zupfte ein Baumwollfädchen von ihrer Bluse, während Arjun schon diensteifrig davoneilte.
Keira lächelte zurück. Sie hatte nicht bemerkt, dass Jay in die Halle getreten war und die vertraute kleine Szene mit eiskaltem Blick verfolgte.
Alex war es, der Jay zuerst auf sie zukommen sah. Ein wachsamer Blick trat in seine Augen, als er die Situation erkannte. „Da kommt ein sehr wütendes Alpha-Männchen in unsere Richtung“, meinte er spöttelnd zu Keira. „Er denkt wohl, dass ich unbefugt
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