Verfuehrung im Palast der Liebe
bekam. Allein das war der Auslöser für seine Rage, und das wiederum war völlig logisch. Seine Wut hatte also nichts mit Gefühlen zu tun, schon gar nicht mit einem so banalen Gefühl wie Eifersucht.
Inzwischen waren sie beim Parkplatz zum Palast angekommen. Jay bremste den Wagen ab, stieg aus und ging um die Motorhaube herum, um die Wagentür für Keira zu öffnen.
Erst im Palast fand Keira endlich den Mut, das drückende Schweigen zu brechen, das Jay bis hierher durchgehalten hatte. „Ich werde dem Fahrer danken und die Stoffmuster holen“, sagte sie gespielt unbeschwert.
„Moment“, hielt Jay sie auf. „Erst möchte ich etwas mit Ihnen besprechen. Gehen wir in mein Arbeitszimmer.“ Er deutete auf die Treppe, mit grimmig zusammengepresstem Mund.
Was immer er ihr zu sagen hatte, sie wollte es gar nicht hören. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, als sie vor ihm die Treppe hinaufstieg und das dumpfe Klicken hörte, als Jay die Tür seines Arbeitszimmers hinter ihnen ins Schloss drückte.
Sie spürte, wie ein schreckliches Gewitter heranzog, so als würde sie schwere Wolken beobachten, die sich am Horizont zusammenballten, nur, dass es hier in diesem Zimmer passierte. Die Luft knisterte vor Spannung, schien den Sauerstoff aufzubrauchen, sodass sie kaum noch atmen konnte. Und als Jay endlich sprach, da schlugen seine Worte wie Blitze ein.
„Sie hatten kein Recht, sich so weit von der Stadt zu entfernen, ohne mich vorher über Ihre Pläne zu unterrichten.“
„Sie waren doch nicht hier, und …“
„Und Sie konnten nicht warten?“, fragte er kalt.
Keira schnappte nach Luft. Sie verstand seinen Ärger nicht. „Sie haben mich doch zu dem Stoffhändler gebracht, damit ich mir Muster holen kann.“
„Der Händler, richtig. Aber ich habe ganz bestimmt nicht den Vorschlag gemacht, dass Sie als Frau ohne Begleitung überall hingehen können. Da Sie es aber getan haben …“
„Ich war nicht allein“, widersprach Keira. „Ihr Chauffeur war bei mir. Ich war geschäftlich unterwegs, um …“
„Um mit einem Landsmann zu flirten?“
„Nein!“
„Doch! Denn das haben Sie getan. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.“
„Das ist ja lächerlich!“, verteidigte sie sich.
„Sie wussten doch, dass er dort sein würde, oder?“
„Nun, ja“, gab Keira zu. „Aber …“
„Und da haben Sie beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und hinzufahren.“
„Nein! Das ist ja verrückt. Der Händler hat vorgeschlagen, dass ich den Designer persönlich kennenlerne und mit ihm über seine Arbeit rede.“
„Hat er das, ja? Oder haben nicht vielmehr Sie den Vorschlag gemacht? Wollten Sie tatsächlich nur seine Arbeit inspizieren, oder vielleicht doch den Mann selbst? Ein Europäer wie Sie …“
Was er da andeutete, war ebenso beleidigend wie unwahr. „Ich wollte mir Stoffe ansehen. Indische Stoffe“, begehrte sie auf. „Ich bin nicht daran interessiert, mir Männer anzusehen.“
Zu spät bemerkte sie, welche Angriffsfläche sie ihm damit gegeben hatte. Sie wappnete sich für eine vernichtende Bemerkung, doch zu ihrer Erleichterung schien Jay es nicht bemerkt zu haben.
„Nicht? Für mich sah das aber ganz anders aus. Sie haben mit ihm geflirtet. Das können Sie nicht bestreiten!“
„Doch, das kann ich. Und das werde ich.“
Jay ignorierte ihre Worte. „Geben Sie es zu“, beharrte er grimmig. „Sie haben ihn derart konzentriert angehimmelt, dass Sie für alles und jeden anderen unempfänglich waren. Nicht, dass es ihm unangenehm gewesen wäre. Er wollte Sie ebenso schnell in sein Bett bekommen wie Sie ihn. Das war für jeden offensichtlich.“
„Das stimmt nicht, und ich habe ihn auch nicht angehimmelt“, verteidigte Keira sich. „Wir waren nur höflich zueinander. Und Höflichkeit wird doch hier so hoch geschätzt. In Indien lernen die Kinder schon auf dem Schoß ihrer Mutter, höflich zu sein. Ich hätte gedacht, Sie wüssten das.“
In der folgenden Stille schwang so viel Gefahr mit, dass sich Keira die feinen Härchen im Nacken aufrichteten.
„Sie behaupten also weiterhin, dass Sie einfach nur höflich waren?“
„Genau“, entgegnete Keira fest.
„Indem Sie sich ihm anbieten?“
„Das habe ich nie getan.“
„Und ob! Genau, wie Sie sich mir angeboten haben, vom ersten Augenblick an.“
„Das ist nicht wahr!“ Es reichte Keira. Sie musste fort aus diesem Raum, fort von diesem Mann.
Kopfschüttelnd ging sie mit energischen Schritten in Richtung Tür.
Weitere Kostenlose Bücher