Verfuehrung im Walzertakt
über die plötzlich trockenen Lippen. Besiegeln. Eine verblasste Erinnerung erwachte in ihr, warnte sie mit einem prickelnden Gefühl im Nacken. Sie bot ihm ihre Hand. „Wie es sich für einen Gentleman und eine Dame geziemt.“
Er schaute auf ihre Hand, dann wanderte sein Blick zu ihrem Mund. Unvermittelt wurde ihr heiß und kribbelig. Lächelnd ergriff er ihre Hand und hielt sie einen Augenblick länger als notwendig fest. „Es ist mir wie immer ein Vergnügen, Miss Clare.“
„Willkommen in Northumberland und unserer Nachbarschaft, Lord Coltonby“, sagte sie förmlich, bemüht, ihrem unverhofft wild klopfenden Herzen keine Beachtung zu schenken. Rasch entzog sie ihm ihre Hand.
„Ich freue mich darauf, zu erkunden, was Northumberland zu bieten hat. Ebenso sehr freue ich mich darauf, unsere Freundschaft zu vertiefen.“
„Zwischen Nachbarn und Freunden besteht ein Unterschied.“
„Ich vertraue darauf, dass wir beides sein werden.“
Diana richtete die Bänder ihrer Haube, sodass sie noch züchtiger ihren Kopf bedeckte. „Mein Bruder wird es bedauern, Ihren Besuch versäumt zu haben.“
„Das liefert mir einen guten Vorwand, Ihnen erneut meine Aufwartung zu machen.“ Lord Coltonbys dunkelgraue Augen hielten ihren Blick fest.
„Wenn es Ihnen beliebt“, erwiderte Diana und fügte im Geiste eine weitere Regel hinzu, die es zu beachten galt: Lord Coltonby bedeutete Gefahr, sie musste ihm zukünftig unbedingt aus dem Weg gehen. Ihr Überleben hing davon ab.
3. KAPITEL
„Haben Sie die aufregende Neuigkeit bereits vernommen, Miss Clare?“ Die schrille Stimme Miss Miranda Bolts bohrte sich in Dianas Ohren, kaum dass sie am nächsten Morgen aus der Tür der Leihbücherei trat.
„Welche Neuigkeit?“, hakte Diana vorsichtig nach, nachdem sie die fein herausgeputzte junge Dame begrüßt hatte. Schon spürte sie ein schmerzhaftes Pochen hinter ihrer Stirn.
Miss Bolt schüttelte ihre hellblonden Locken. Ihre schmalen Lippen bebten vor Aufregung. „Meine Eltern werden zu Ehren unseres neuen Nachbarn einen Ball geben. Ich wurde ohnmächtig, als ich davon hörte. Mama musste mir Riechsalz verabreichen lassen.“
„Wir haben die Einladung gestern erhalten.“ Diana zwang sich zu einer unverbindlichen Miene. Sie beabsichtigte, am Nachmittag eine Absage zu formulieren, in der sie ihr Bedauern kundtat, nicht an dem Ball teilnehmen zu können. Simon konnte gehen, sollte er diesen Wunsch verspüren. Sie indes würde einen Grund ersinnen, aus dem sie nicht an der Festivität teilnehmen konnte. So wie sie sich allen gesellschaftlichen Veranstaltungen fernhielt.
„Sie und Ihr reizender Bruder müssen kommen. Sie haben sich bereits den Weihnachtsball in Newcastle im letzten Jahr entgehen lassen. Diesen Ball dürfen Sie einfach nicht versäumen.“ Miss Bolt klatschte in die Hände. „Gewiss werden alle infrage kommenden Junggesellen aus der Nachbarschaft zugegen sein. Natürlich wird man mich sehr umschwärmen, das habe ich Mama bereits erklärt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich eine brillante Partie machen werde, die meinem gesellschaftlichen Rang in höchstem Maße angemessen ist. Vergeben Sie mir, Miss Clare, falls Sie mich für hochmütig halten, indes gebe ich nur die Wahrheit kund.“
„In der Tat.“ Diana verkrampfte innerlich. Es fiel ihr nicht leicht, ihr Lächeln beizubehalten.
„Deshalb versuche ich auch, Mama von der Notwendigkeit einer Ballsaison in London zu überzeugen.“ Erschrocken legte Miss Bolt die Hand auf den Mund. „Oh, meine liebe Miss Clare, ich vergaß ganz, wie unangenehm es Ihnen sein muss, über London zu sprechen.“
„Warum sollte mir dies unangenehm sein?“
„Nun, wegen Ihres Desasters.“ Miss Bolt senkte die Stimme und legte Diana kurz die Hand an den Ellbogen, eine Geste falschen Mitgefühls. „Jedes Mal, wenn ich daran denke, möchte ich am liebsten weinen. Mama hat Ihr Fiasko erst kürzlich wieder erwähnt und mir empfohlen, daraus eine Lehre zu ziehen. Diesen Rat werde ich mir zu Herzen nehmen. Meine liebe, arme Miss Clare, wenn ich nach London reise, werde ich nicht als Mauerblümchen enden. Ich bin für einen Earl geschaffen, zumindest aber für einen Viscount.“ Miss Bolt strich sich neckisch über die blonden Locken. „Mit meinem Aussehen, meiner Erziehung und Papas Vermögen sollte ein Titel für mich durchaus in Reichweite sein.“
„Man sollte immer nach dem Erreichbaren streben.“
„Wie geistreich von Ihnen. Das Erreichbare,
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