Verfuehrung im Walzertakt
sich gegen das ihre, und all ihre Entschlossenheit schien zu schwinden wie Nebel in der Sonne. Rasch lehnte sie sich etwas zur Seite. Er sagte nichts, doch der Blick, den er ihr zuwarf, bevor er sich auf die Zügel konzentrierte, sprach Bände. Diana biss sich auf die Lippe und beschloss, sich in würdevolles Schweigen zu hüllen.
Die Karriole setzte sich in Bewegung. Schon bald hatten sie die Akademie hinter sich gelassen und fuhren durch die von Lastkarren und Kutschen verstopften Straßen von Newcastle. Wie aus heiterem Himmel tauchten Fahrzeuge auf, wo die Straße zuvor noch frei gewesen war. Scharf den Atem einziehend schrumpfte Diana sichtlich in ihrem Sitz, während Brett die Karriole geschickt durch den dichten Verkehr lenkte.
Bald darauf ließen sie die in einen Rauchschleier gehüllte Stadt hinter sich. Brett ließ die Pferde schneller laufen. Der Wind schlug ihr ins Gesicht, brachte sie zum Frösteln, und sie wünschte, sie hätte daran gedacht, ihr warmes Schultertuch mitzunehmen. Selbstverständlich zitterte sie, weil sie fror, keineswegs war dies ein Schauer hoffnungsfroher Erwartung, weil sich sein Bein an das ihre schmiegte, seine Schulter die ihre berührte.
„Ist dir kalt?“
„Es geht schon. Ich habe vergessen, mir ein Tuch mitzubringen, da ich annahm, in der Kutsche zu reisen.“
„Wenn du möchtest, halte ich die Pferde an, damit du in den Wagen wechseln kannst.“
„Nein, mir gefällt die Aussicht von hier oben.“
Den Arm um sie legend zog er sie näher zu sich heran. „Ist es jetzt besser?“
Sie lehnte sich an ihn und ließ ihre Wange auf seiner Brust ruhen, vernahm seinen Herzschlag, warm, tröstlich und viel zu verlockend. Sie schloss die Augen, schwelgte in diesem Augenblick, damit sie sich dieses Gefühl auch nach der Fahrt immer in Erinnerung rufen konnte.
„Geht es dir gut?“, fragte er, als sie die Augen wieder öffnete. „Du hast eben sehr nachdenklich ausgesehen.“
„Ich wollte mir diesen Moment genauestens einprägen.“ Sie setzte sich auf. „Jetzt ist mir wieder warm. In der Sonne ist es recht angenehm.“
„Es ehrt mich, dass du diesen Moment in Erinnerung behalten möchtest.“
Ihre Blicke trafen sich, und er hielt den ihren eine lange Weile gefangen. Diana fühlte, wie es sie unausweichlich zu ihm hinzog, wie sie in den Himmel der Liebe zu entschweben drohte. Doch sie wusste, dass ihre Beziehung nicht von Dauer sein konnte, wusste, dass ihr Herz beim Abschied zerbrechen würde. Schon wollte sie sich ihm anvertrauen, dann aber entschied sie sich für einen heiteren Ton. „Wann kann ich schon einmal einen Meister in Aktion sehen?“
„Wann in der Tat?“ Er ließ die Pferde noch schneller laufen. Bald darauf näherten sie sich einem Dorf, und Brett zog die Zügel an. Sofort wurden die Pferde langsamer.
Ein Stück weiter vor ihnen stand ein Leiterwagen, der die halbe Straße versperrte. Ein Arbeiter war damit beschäftigt, Fässer aufzuladen. Plötzlich lief ein Mädchen in einem hellblauen Trägerkleid direkt vor ihnen auf die Straße. Diana stockte der Atem, während Brett laut fluchend an den Zügeln zerrte, um der Kleinen auszuweichen. Unvermittelt schwenkte die Karriole aus, und Diana wurde heftig gegen das Geländer des Kutschbocks geschleudert.
Gleich darauf erschallte ein schriller Schrei, gefolgt von dem Geräusch berstenden Holzes, als die Kutsche auf den Leiterwagen prallte. Sie schlingerte erst zur einen, dann zur anderen Seite, bevor sie schließlich abrupt zum Stehen kam.
Aufatmend stellte Diana fest, dass sie keine Schmerzen verspürte.
„Bist du verletzt?“, fragte Brett. Seine dunkelgrauen Augen musterten sie besorgt.
„Mir geht es gut. Ich bin nur ein wenig durchgeschüttelt.“ Diana legte die Hand ans Gesicht. „Was ist mit dem Kind? Und den Pferden?“
„Nach den Pferden sehe ich gleich, aber der Kleinen scheint nichts geschehen zu sein. Ihre Mutter hat sie gerade noch rechtzeitig zurückgezogen.“ Brett sprang vom Kutschbock.
Ein Mann hielt das Gespann am Zaumzeug fest. In der Nähe erblickte Diana eine schwangere Frau, die das kleine Mädchen tröstend in den Armen wiegte. Zum Glück waren nur Gegenstände zu Schaden gekommen, keine Menschen.
Am ganzen Körper bebend lehnte sich Diana auf dem Kutschbock zurück. Sie vernahm das Weinen des Kindes, das Geschrei des Arbeiters, und hörte Brett in gemessenem Ton antworten. Stumm hoffte sie, dass alles in Ordnung sei und sie ihre Fahrt bald fortsetzen konnten.
„Es ist
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