Verfuehrung in aller Unschuld
strikt voneinander getrennt hatte – das Gefühl, dass sie unschuldig war, und die harten Fakten im Zusammenhang mit Sandros Tod?
Seine wilde Sehnsucht nach ihr und die heftigen Emotionen, die Lucy in ihm auslöste, hatten ihn völlig verwirrt.
Außerdem hatte er Angst davor gehabt, sich mit seinem Verhalten auseinandersetzen zu müssen, wenn sie tatsächlich unschuldig war. Weil er ihr in dem Fall nämlich furchtbar unrecht getan hätte.
„Ich wusste, dass du nicht so schuldig warst, wie man dich darstellen wollte.“
„Nicht so schuldig“, wiederholte sie tonlos. „Na wunderbar. Also nur ein bisschen schuldig. Dass ich Sandro zwar umgebracht, aber nicht mit ihm geschlafen habe, meinst du das?“
„Nein!“ Tatsächlich hatte ihn der Gedanke, dass sie mit seinem Bruder geschlafen haben könnte, halb wahnsinnig gemacht. Wie er überhaupt die Vorstellung, dass sie mit einem anderen Mann zusammen sein könnte, unerträglich fand.
„Ich habe nicht nachgedacht, okay?“, verteidigte Domenico sich. „Ich wollte einfach mit dir zusammen sein.“ Tatsächlich war er zutiefst erschüttert gewesen, als er sie beim Packen antraf. Aus Angst, Lucy könnte abreisen, hatte er den Kopf verloren.
„Stimmt, du hast nicht nachgedacht“, erwiderte sie trocken. „Sonst müsste dir klar sein, dass meine Jungfräulichkeit …“ Es klang bitter aus ihrem Mund. „… kein Beweis für meine Unschuld ist. Das Gericht hat meinen Einwand damals nicht gelten lassen, erinnerst du dich?“
Und ob er sich erinnerte. Wie quälend musste es für sie als Achtzehnjährige gewesen sein, mit anzuhören, wie man vor Gericht einen ganzen Tag lang diskutierte, ob sie noch Jungfrau war oder nicht!
„Tut mir leid.“ Er lockerte seinen Griff. „Das war sicher sehr schlimm für dich.“
Entgeistert sah sie ihn an. „Schlimm? Es war die Demütigung schlechthin.“
Von Schuldgefühlen geplagt, streichelte er ihr Handgelenk. Seine Selbstachtung war ziemlich angeschlagen. Wie konnte er sich nur so in Lucy geirrt haben? Wieso hatte er sie so leiden lassen?
„Ich könnte immer noch die Mörderin deines Bruders sein“, sagte sie matt.
Am liebsten hätte er sie an sich gerissen, aber er wollte nicht riskieren, dass sie wieder auf ihn losging. Nicht weil es ihm etwas ausgemacht hätte, sondern weil er sie nicht noch mehr quälen wollte.
Was ihm bisher ja wirklich gut gelungen war. Verdammt!
„Ich könnte mich trotzdem an Sandro herangemacht und ihm Sex gegen Geld und Schmuck angeboten haben. Ob ich nun die Beine breit gemacht habe oder nicht …“
„Hör auf!“, unterbrach Domenico sie heiser.
„Warum? Nichts anderes habe ich bei dir getan …“
„Das ist nicht dasselbe!“ Wie konnte sie nur so abfällig darüber reden? Ja, es war heiß hergegangen zwischen ihnen, aber es war kein schneller, gedankenloser Sex gewesen. Es war … Zum Teufel, er wusste selbst nicht, was es gewesen war, doch es hatte etwas bedeutet.
Spontan nahm Domenico auch ihre andere Hand, und das Laken glitt zu Boden.
Obwohl ihn der Anblick ihrer reizvollen Kurven heftig erregte, konzentrierte er sich auf ihr Gesicht. Ihr eisiger Blick ließ ihn schaudern. In ihrem Zorn schien Lucy nicht einmal zu merken, dass sie nackt war.
Domenico verschränkte die Finger mit ihren. „Das mit uns war etwas anderes.“
„So? Was denn? Du hast mir nicht geglaubt.“
„Doch, das habe ich.“ Wenn auch nicht bewusst, denn er hatte es nicht wahrhaben wollen. Hätte er auf seine innere Stimme gehört und alle Hinweise richtig gedeutet, hätte ihm klar sein müssen, dass Lucy zu Unrecht verurteilt worden war. Weil seine Familie auf Vergeltung gedrängt hatte.
Und weil er sich aus gekränktem Stolz dazu hatte hinreißen lassen, das Schlechteste von ihr anzunehmen, als er hörte, dass sie seinen Bruder verführt habe.
Er hatte den einfachen Weg gewählt, seine Zweifel ignoriert und sich als Rächer seines Bruders aufgespielt. Er, der sich nie für feige gehalten hatte, war so selbstgerecht gewesen, und das beschämte ihn zutiefst.
„Lügner“, flüsterte sie.
„Ich weiß, dass du keine eiskalte Verführerin bist“, sagte er beschwörend. „Du bist warmherzig, liebevoll und kein bisschen egoistisch. Schon allein, wie du Chiara gerettet hast! Und wie du dich mutig zwischen sie und den wütenden Mob gestellt hast, anstatt deine eigene Haut zu retten und wegzulaufen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das reicht nicht.“
Er wusste es. Er hätte ihr viel früher
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