Verführung in weißer Seide
ich. Ich kenne einen Anwalt, der vom Erfolg einer solchen Klage überzeugt ist. Außerdem will er mich wegen der anderen Klage umsonst verteidigen. Und du, Tess, hast am Ende mehr Geld, als Westcott dir geben wollte. Dieser Anwalt vertritt auch seine Stiefmütter in dem Erbschaftsfall.”
“O Daddy, nein!”
“Am liebsten wäre es mir, wenn du Westcott gleich verlässt und das Geld vergisst. Aber wenn es dir so viel bedeutet, dann schlag dich auf unsere Seite. Seine Stiefmutter Deirdre ist bereit, dir mehr zu zahlen als er, und dafür brauchst du vor Gericht nur die Wahrheit zu sagen. Gib zu, dass eure Ehe nur ein Geschäft ist, und sag dem Richter, wie er dich dazu gedrängt hat. Achte darauf, ob er mit anderen Frauen zusammen ist. Wir brauchen Einzelheiten. Am besten arbeitest du mit den Detektiven zusammen, die Deirdre auf ihn angesetzt hat. Zeigen wir diesem Westcott, dass er mit den McCrarys nicht so umspringen kann, wie es ihm passt.”
Tess glaubte, jeden Moment ohnmächtig zu werden. “Hör mir jetzt zu, Ian Patrick McCrary”, schrie sie und drohte ihm mit dem Finger. “Wenn du Cole verklagst, verklagst du auch mich, denn ich bin seine Ehefrau. Vor dem Gesetz sind wir eine Einheit.”
“Das lässt sich durch eine Scheidung schnell ändern. Darum wird mein Anwalt sich auch kümmern.”
“Ich will deinen Anwalt nicht, und du brauchst ihn auch nicht. Wir bekommen alles Geld, was wir jemals brauchen, wenn du nur …”
“Wir werden das Geld auch bekommen, und zwar, wenn wir diese Klage gewinnen. Wenn wir es richtig anstellen, kommt Westcott wegen Betrugs oder sogar wegen Erpressung hinter Gitter.”
“Wenn du ihn verklagst oder sonst wie verfolgst, werde ich nie wieder ein Wort mit dir sprechen.”
Verletzt und erstaunt zugleich sah er sie an, und dann lief er langsam rot an. “Das würdest du wegen einer rein geschäftlichen Angelegenheit tun?”
Tess konnte kaum noch atmen.
“Oh, Tess”, stieß ihre Mutter aus. “Tu das bitte nicht. Komm wieder nach Hause. Das Geld von diesem Westcott brauchst du nicht.”
“Es geht mir nicht um das Geld, sondern um das Versprechen, das ich ihm gegeben habe. Zählt das gar nichts? Ehre, Pflicht, Prinzipien – bedeuten euch diese Dinge nichts?”
“Mein ganzes Leben basiert auf diesen Werten”, erwiderte ihr Vater empört. “Deshalb möchte ich auch, dass du dieses ergaunerte Geld von Westcott nicht annimmst. Bestimmt findet er sowieso ein Schlupfloch, um dir das Geld vorzuenthalten.”
Hilflos sah sie ihre Eltern an. Wie sollte sie ihnen begreiflich machen, dass sie Cole falsch beurteilten? Wie sollte sie erklären, dass ihre Beziehung zu ihm sich geändert hatte? Das begriff Tess ja selbst kaum. Auf keinen Fall durfte ihr Vater erfahren, dass sie mit Cole schlief. Was Sex anging, da waren seine Ansichten sehr streng, erst recht, wenn es um seine Tochter ging. Und sie konnte ihm auch schlecht sagen, dass Cole ihr Freund geworden war. Das würde er niemals glauben. Wie konnte sich innerhalb einer Woche eine tiefe, echte Freundschaft entwickeln?
Da ihr nichts Gescheites einfiel, um ihre Eltern zum Einlenken zu bewegen, handelte sie aus dem Bauch heraus. Sie wollte Cole an ihrer Seite haben, seine Kraft spüren. Tess schluckte, atmete tief durch und hoffte, diese Auseinandersetzung irgendwie zu überstehen. “Ich habe jemanden mitgebracht”, verkündete sie. “Jemanden, den ihr kennenlernen solltet.”
Stirnrunzelnd sahen ihre Eltern erst Tess, dann sich gegenseitig an.
Tess öffnete die Tür und winkte ihn herein.
Cole betrat das Zimmer und sah besorgt zu Tess. “Tess?” Er streckte die Arme nach ihr aus, und sie ging zu ihm. Es kam ihr wie das Natürlichste der Welt vor, sich in seine Arme zu schmiegen, wo sie sich sicher und geborgen fühlte.
Niemand sprach auch nur ein Wort.
Cole war sich sicher, noch nie zuvor Schweigen als so bedrohlich empfunden zu haben. Er hörte nur Tess’ Herzschlag und das Dröhnen seines eigenen Pulsschlags. Was hatten ihre Eltern denn gesagt oder getan, womit sie sie so durcheinandergebracht hatten? Sie war den Tränen nahe und ganz verspannt. Cole wurde wütend. Was hatten sie ihr angetan?
Er zwang sich dazu, auf Tess’ Erklärung zu warten, anstatt eine von ihren Eltern zu verlangen. Prüfend blickte er die beiden älteren Leute an, die Tess und ihn entsetzt anstarrten.
Schließlich hob Tess den Kopf und sah erst Cole in die Augen und dann zu ihren Eltern. “Daddy, Mom”, setzte sie an. “Ich möchte
Weitere Kostenlose Bücher