Verführung pur
Wasseroberfläche.
“Na ja, sagen wir mal, sie sind echten Personen nachempfunden, die ich einigermaßen gut kenne”, sagte Seth.
Mia hob das Faltblatt und las die kurze Legende zum dritten Mal. “Hier steht, Don José hätte Carmen entführt, und sie verliebte sich in ihn, während sie seine Gefangene war.”
Er drehte sich zu ihr um und sah sehr ernst aus. “Man nennt das, glaube ich, Geiselsyndrom. Ich habe darüber schon gelesen.”
Genau das hatte sie vom ersten Augenblick an magisch angezogen. Seth verfügte über einen verborgenen Sinn für Abenteuer, der nur darauf wartete, von ihr hervorgelockt zu werden.
“Merkwürdig. Ich könnte schwören, dass in den Artikeln, die ich gelesen habe, die Geschichte umgekehrt war.” Sie nahm die Blume aus ihrem Haar und schüttelte das Wasser von den roten Blütenblättern. “Irgendwie klingt es auch schlüssiger, dass der Kidnapper sich in seine Gefangene verliebt. Schließlich lebt er in der Gewissheit, die absolute Macht in ihrer Beziehung zu besitzen. Das jedoch gilt nur, solange seine Gefühle nicht ins Spiel kommen. Dann nämlich wendet sich das Blatt, und die Gefangene hat alle Macht.”
Seth drosselte das Tempo und bog in eine kleine Bucht ein, die Mia zum ersten Mal sah, obwohl sie nur wenige Meilen von ihrem Zuhause entfernt sein konnte. Er ließ die Yacht ins flache Wasser gleiten und warf den Anker. Bis zum Strand waren es keine zehn Meter.
Erst jetzt drehte er sich zu ihr um, und sein Blick ließ sie erschaudern. “Ich könnte mir vorstellen, dass genau das in einer Minute eintritt. Trotzdem bin ich eher für ausgewogene Machtverhältnisse.”
“Stimmt. Jeder gibt und nimmt, das halte ich ebenfalls für eine gute Idee.” Die Worte blieben ihr beinahe im Hals stecken, denn bei dem Thema “geben und nehmen” kamen ihr sofort sehr erotische Gedanken in den Sinn.
Die jedoch musste sie bis auf Weiteres im Zaum halten, denn sie waren noch lange nicht an dem Punkt angekommen, wo sie sich ihren Gefühlen überlassen durften.
Seth stand auf. “Du siehst ein bisschen erhitzt aus, Mia. Ich denke, wir können beide eine kleine Abkühlung gebrauchen. Vielleicht sollten wir an Land schwimmen.”
“Du machst wohl Witze”, sagte sie entsetzt. Sie wusste schließlich, wie gefährlich er ihr im Wasser werden konnte. Das letzte Mal, das sie zusammen im Golf gewesen waren, endete damit, dass sie sich wie verrückte Teenager unter der Promenade gewälzt hatten und Mia sich unsterblich in ihn verliebte.
Ganz gleich wie kalt das Wasser sein mochte, eine Neuauflage ihres ersten Wassererlebnisses würde sie nicht überleben.
Aber in diesem Moment zog Seth sich schon die Shorts aus.
“Okay, ich lasse mir nicht den Vorwurf machen, ich würde deine Abenteuerlust unterdrücken”, sagte sie und begann die Ösen ihres Kleides zu öffnen.
Er starrte sie einen Moment lang schweigend an. Dann begann er die kleinen Haken wieder zu schließen.
“Wenn wir die Machtverhältnisse einigermaßen stabil halten wollen, behältst du dieses Kleid an”, flüsterte er atemlos und mühte sich mit den kleinen stoffbezogenen Knöpfen.
Mia wurde heiß, als seine Finger ihre Brust streiften.
“Na gut”, sagte sie und blieb ganz ruhig stehen, um ihm seine Aufgabe nicht unnötig zu erschweren. “Wenn es erst einmal nass ist, wird der Effekt sowieso derselbe sein, als wäre ich nackt.”
Ihre Worte verfehlten ihre Wirkung keineswegs. Der arme Mann sah aus, als hätte sie ihn gerade hinterrücks niedergestochen. Rache kann etwas Wundervolles sein, dachte sie zufrieden.
“Genug geredet”, sagte er und zog sie an die Reling. “Jetzt wird gesprungen.”
Und ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie hochgehoben und sprang mit ihr ins Wasser. Für eine knappe Minute tauchte sie unter, dann brachte er sie beide an die Oberfläche zurück.
Sie prustete und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Das kühle Wasser prickelte auf ihrer Haut. “Spring niemals in unbekannte Gewässer”, sagte sie atemlos. “Ich mag Abenteuer, aber ich bin nicht verrückt.”
Er zwinkerte ihr zu und schwamm ein Stück voraus. “Ich bin gestern die ganze Bucht abgeschwommen, Mia. Ich mag also ein Planungsbesessener sein, aber verrückt bin ich ebenfalls nicht. Komm mit.”
Sie schwamm hinter ihm her. Ihr Kleid war glücklicherweise kurz genug, um sie nicht zu behindern, und sie erreichten den Strand in wenigen Zügen. Der kleine Sandstrand war von Bäumen gesäumt, deren behäbige Äste
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