Verführung pur
machen. Eine Gruppe nach der anderen hatte er unermüdlich zu einem romantischen Bootstrip in die Bucht eingeladen. Und jede Frau hatte sehnsüchtig auf den unberührten Strand geblickt und vor Verzückung geseufzt.
Jede, bis auf die eine Frau, auf die es ihm ankam.
Seth suchte mit den Augen den Strand ab, doch von Mia war weit und breit keine Spur. Enttäuscht steuerte er die Yacht in den Hafen, wo die Passagiere wieder von Bord gehen würden.
Da entdeckte er eine Frau in einem dünnen weißen Kleid, die sich eine rote Hibiskusblüte hinters Ohr gesteckt hatte.
Mia.
So schnell er konnte, lenkte er die Yacht in den schmalen Liegeplatz neben Brocks Fischerboot. Hastig warf er den Fender über die Reling, machte das Boot fest und half den Touristen beim Aussteigen. Gleich hinter dem letzten Fahrgast – einer Frau um die sechzig, die ihm lächelnd zuzwinkerte – sprang er auf den Steg.
“Wenn das keine echte Carmen ist”, raunte sie ihm leise zu. “Ich hoffe, Sie werden ihr auch die romantische kleine Bucht zeigen.”
Seth nickte, konnte aber nichts sagen, weil seine Gedanken ausschließlich um Mia kreisten.
In dem weißen Kleid kamen ihre goldbraune Haut und das dunkle Haar besonders gut zur Geltung. An einem Handgelenk baumelten feine silberne Armreifen, und ein Fußgelenk zierte ein dünnes Silberkettchen mit kleinen Anhängern.
Mia hielt eines der Faltblätter in der Hand – sie kannte die Legende von Don José also inzwischen.
Von Weitem winkte sie ihm mit dem Flyer zu. “Wie ich sehe, bist du mal wieder dabei, meine Geschäftsentscheidungen ohne mich zu treffen.”
In dem dünnen Kleid mochte sie vielleicht zart und zerbrechlich aussehen, aber sie war von derselben Entschlossenheit und Willensstärke wie die Opern-Carmen.
“Ich hatte eigentlich gehofft, meine kleine Werbeaktion könnte das Eröffnungsgeschäft ein bisschen ankurbeln.” Wenn sie unbedingt mit einem Vorwurf beginnen wollte, würde er gewiss nicht kneifen. “Und soweit ich mitbekommen habe, war die zusätzliche Werbeaktion nicht ganz erfolglos.”
“Wir hatten einen unglaublichen Tag”, gab sie unumwunden zu. “Aber trotzdem mag ich es nicht, dass du solche Aktionen startest, ohne mich vorher zu fragen.”
“Stimmt. Den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen.”
Er konnte ihr ansehen, dass sie auf diese Reaktion nicht gefasst gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie irgendwelche fadenscheinigen Ausreden oder direkten Widerspruch erwartet. Sie drehte sich zu ihm, wobei der Wind ihr das Haar wie einen Schal um den Nacken wehen ließ.
Verwundert und für einen Moment sprachlos sah sie ihn an.
“Ich habe eingesehen, dass ich einen Fehler gemacht habe, als ich eigenmächtig die Hypothek umschuldete. Weißt du, für mich sind solche Transaktionen etwas vollkommen Alltägliches, und deshalb habe ich mir nichts Schlimmes dabei gedacht. Mittlerweile ist mir klar geworden, dass ich kein Recht hatte, mich in deine Geschäftsangelegenheit einzumischen, ohne dich zu informieren.”
Sie kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. “Dann erklär mir doch bitte, warum du heute schon wieder die Initiative ergreifst und für den Beachcomber wirbst, ohne dass ich etwas davon weiß.”
“Heute wollte ich dir beweisen, dass ich von Geschäften etwas verstehe, Mia. Und ich wusste, wenn ich dich frage, jagst du mich zum Teufel, bevor ich überhaupt eine Chance dazu habe.”
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte er sie nicht überzeugt.
“Du machst denselben Fehler zwei Mal, um mir etwas zu beweisen?”
“Nein, Mia. Ich habe nur dafür gesorgt, dass die Leute sich den Beachcomber ansehen. Die wirkliche Arbeit, also die Kundengewinnung, lag ganz und gar bei dir.”
Sie überlegte, was immerhin schon ein Fortschritt war – gemessen an der blanken Ablehnung, auf die er in Tampa gestoßen war. Und er musste die Gunst der Stunde nutzen, um ihr seinen Standpunkt unmissverständlich klarzumachen.
Wenn er Mia zurückgewinnen wollte, musste er alles auf eine Karte setzen und sie entscheiden lassen.
“Sieh mal, ich weiß, dass ich die Finger von der Hypothek hätte lassen sollen. Trotzdem solltest du mir vielleicht nachsehen, dass ich dir ein paar neue Kunden ins Geschäft gelockt habe, auch wenn es vorher nicht abgesprochen war.”
Er hätte sie gern berührt – ihre Lippen, ihre Schultern, die Blume in ihrem Haar –, doch dafür war es noch zu früh. Zuerst musste er sie dazu bringen, seinen guten Willen nicht länger als
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