Verführung pur
Mal ab und verwies auf den Werbewert.
Mia hatte keine Ahnung, woher all die Kunden kamen. So viel Betrieb wie heute war noch nie im Beachcomber gewesen. In ihren besten Zeiten hatten sie in einer Woche verdient, was sie heute allein am Vormittag umsetzten. Möglicherweise verdankte sie den Zulauf den Artikeln, die nach ihrer Ausstellung in den Zeitungen erschienen waren und in denen häufiger das Geschäft erwähnt wurde.
Als sie das Regal mit den Naturschwämmen neu sortierte, in dem reichlich herumgewühlt worden war, hörte sie, wie zwei junge Mädchen in Bikinis sich über einen heißen Piraten unterhielten, der unten am Strand sein musste. Nun kam Mia der Gedanke, dass sie den Besucherstrom eventuell einer Quelle verdankte, die ihr bisher gar nicht in den Sinn gekommen war.
Wie viele heiße Piraten gab es dieser Tage schon in Südflorida?
Nein, sie musste sich verhört haben. Diese alberne Truhe war schuld daran, dass sie nur noch Piraten im Kopf hatte. Gleich heute Abend würde sie das Ding im hinteren Raum verschwinden lassen. Damit sollten wenigstens ein paar ihrer Tagträume von Seth verschwinden.
Obwohl – besonders viel würde es wohl kaum nützen.
Lächelnd ging Mia auf die jungen Mädchen zu, die beide aussahen, als wären sie noch keine zwanzig. Die eine war rothaarig und trug einen Badeanzug mit wildem Blumenmuster, die andere brünett und in einem blau-weiß gestreiften Bikini.
“Verzeihen Sie”, sprach Mia sie klopfenden Herzens an. “Haben Sie gerade von einem Piraten gesprochen?”
Bildete sie es sich bloß ein, oder wurde tatsächlich alles sehr still um sie? Sie drehte sich zu ihrer Mutter um, die hinter der Kasse saß und sie für einen Augenblick stumm anstarrte, bevor sie wild auf die Knöpfe einhackte und dem Computer schrille Piepser entlockte.
Mia wurde die Sache zusehends unheimlicher.
Die Rothaarige nickte eifrig und antwortete kichernd: “Ja, der Pirat, der unten am Strand für Ihren Laden wirbt, ist einsame Spitze.” Sie versetzte ihrer Freundin einen Knuff. “Von dem würde ich mich gern mal entern lassen.”
Nun kicherten die beiden um die Wette und merkten überhaupt nicht, dass Mia vor Wut errötete.
“Und wie genau wirbt er für uns?”, fragte sie nach.
Mischte er sich etwa schon wieder in ihre Angelegenheiten, obwohl sie ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben hatte, dass sie es nicht wollte? Drängte er sich tatsächlich in ihr Leben, nachdem sie ihn fortgeschickt hatte? Reichte ihm nicht, dass er ihr Herz bereits gebrochen hatte?
Die Brünette fand als Erste die Fassung wieder und sagte: “Eigentlich macht er gar nichts Aufregendes. Er verteilt kleine Faltblätter, in denen so Sachen über den Beachcomber stehen, und auf der Rückseite steht die Legende vom Piraten Don José.”
Mia war verwirrt. “Don José?”
“Ja, und er ist leider nicht halb so verwegen und gefährlich wie die Piraten in den Filmen”, klärte die Rothaarige sie auf.
Nein, das war er wahrscheinlich nicht. Andererseits hatte Carmen auch keinen wilden Piraten gewollt, sondern war in den spanischen Sergeanten José verliebt gewesen.
“Dafür ist die Geschichte unheimlich romantisch”, schwärmte die Brünette und seufzte verträumt. “Ich würde diesen Don José jedenfalls sofort nehmen.”
“Haben Sie zufällig eines der Faltblätter dabei?”, fragte Mia neugierig. Nicht dass sie für seine romantischen Annäherungsversuche empfänglich war. Da mochte er sich die ausgefallensten Dinge einfallen lassen, sie jedenfalls war nicht gewillt, die Einmischung eines Mannes zu dulden, der nun schon zum zweiten Mal eigenmächtig handelte und seine Nase in Dinge steckte, die ihn nichts angingen.
Aber es konnte schließlich nichts schaden, seine “Legende” zu lesen, bevor sie ihn mitsamt Augenklappe in die Wüste schickte.
Seth lenkte seine Yacht um die kleine Bucht gleich oberhalb von Twin Palms herum, die er gestern zufällig entdeckt hatte, und schipperte dann zurück in den Yachthafen, wo seine Passagiere wieder aussteigen würden. Die Leute kauften ihm tatsächlich die Legende vom Piraten Don José ab, und Touristen aller Altersgruppen hatten ihn gebeten, er möge ihnen doch die Stelle zeigen, an der Don José und Carmen einander ihre Liebe gestanden hatten.
Nur Mia war nicht aus dem Geschäft zu locken gewesen. Den ganzen Tag hatte er vergeblich gewartet.
Er hatte Unmengen an Faltblättern in Twin Palms und Umgebung verteilt, um auf die Neueröffnung aufmerksam zu
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