Verführung pur
ebenfalls in eine andere Richtung. “Und was tun Sie, wenn Sie sich nicht gerade unbescholtenen Männern an den Hals werfen?”
“Nun, wenn ich nicht gerade über harmlose Männer herfalle, helfe ich meinen Großeltern mit ihrem Geschäft”, antwortete sie lächelnd. Die Hibiskusblüte hielt nicht mehr recht in ihrem feuchten Haar. Mia nahm sie heraus und spielte ein wenig damit. “Allerdings handelt es sich dabei nur um eine vorübergehende Unterbrechung meiner eigentlichen Tätigkeit. Ich bin Künstlerin. Oder besser gesagt: Ich will Künstlerin werden.”
“Und was für eine Künstlerin sind Sie oder wollen Sie werden?” Er lehnte sich zurück und sah sie interessiert an.
“Hauptsächlich male ich. Hin und wieder versuche ich mich in der Bildhauerei, aber eher nur zum Spaß. Mein Talent liegt eindeutig mehr in der Malerei, sei es in Öl, Aquarell oder was auch immer.” Sie blickte von ihrer Blume auf. “Wohin fahren wir überhaupt?”
Seth hatte das Gefühl, dass sie nicht über sich sprechen wollte. Oder wollte sie nur nicht über ihre Kunst sprechen?
“Nach Egmont Key, das heißt, natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist”, antwortete er, wollte sich aber nicht vom Thema abbringen lassen. “Was für Bilder malen Sie? Landschaften? Menschen?”
“Alles, allerdings bin ich keine Realistin. Meine Arbeiten sind meist farbenfroher und lebendiger als die Wirklichkeit.”
“Das überrascht mich nicht.” Er sah auf ihren Sarong und die leuchtend rote Blume. “Sie sehen aus wie ein Mensch gewordener Orchideengarten. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieser Tag wesentlich bunter werden wird, als mein gegenwärtiges Leben sonst ist.”
“Was wohl auch an dem Entermesser und der Augenklappe liegen dürfte.” Sie schlug die Beine übereinander, sodass ihr Fuß nur wenige Zentimeter von seinem Schenkel entfernt war.
Wahrscheinlich wäre es maßlos übertrieben, sie in seine Arme zu reißen und fest an sich zu pressen, aber genau danach stand ihm im Augenblick der Sinn. Ja, sein Verlangen, sie zu berühren, war so überwältigend, dass er ein paar Mal tief durchatmen musste, ehe er etwas sagen konnte.
“Nein, das liegt einzig und allein an Ihnen. Mein Alltag ist gewöhnlich von Schwarz-Weiß dominiert, und eine farbenprächtige Frau wie Sie ist mir noch nie begegnet.”
“Na, dann scheint mein Abenteuer so weit ja nach Plan zu verlaufen.” Sie strahlte ihn an, und ihm fiel auf, was für einen wunderbar sinnlichen Mund sie hatte. “Wie weit ist es bis Egmont Key?”
In gut zehn Minuten könnten sie da sein, und selbst das schien Seth entschieden zu lange. Er wollte anhalten, mit Mia reden und sie anstarren. Er konnte nicht erwarten herauszufinden, ob er tatsächlich die Chance hatte, einmal eine Frau kennenzulernen, die vollkommen anders war als alle, die er bisher gekannt hatte.
“Es ist nicht mehr weit. Wir werden genug Zeit haben, die Insel einmal zu Fuß zu umrunden und trotzdem rechtzeitig zum Pressetermin um elf zurück zu sein.”
“Pressetermin?” Sie zuckte erschrocken zusammen.
“Kanal 10 interviewt später die Frauen, die von den Gasparilla-Piraten entführt wurden. Sie dürfen also nachher live erzählen, wie Ihr Tag war.”
Bildete er es sich bloß ein, oder sah sie wirklich panisch aus?
Er streckte eine Hand aus und strich ihr übers Haar, das sich trotz Wind und Sprühwasser erstaunlich weich und seidig anfühlte. “Keine Angst, ich plane nichts, was nicht jugendfrei wäre.”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich darf nicht ins Fernsehen kommen.”
“Ein solcher Auftritt ist
die
Gratiswerbung für die Bank.”
“Aber nicht für mich!”
Warum war Carmen, die mit ihrer bloßen Gegenwart jeden Piraten in die Knie zwingen konnte, so ängstlich, wenn es um ein bisschen Medienrummel ging? “Wieso?”
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und kniff die Lippen zusammen. Deutlicher konnte sie wohl kaum sagen, dass sie über dieses Thema nicht diskutieren wollte.
“Falls Sie verheiratet sind, Lady, kehren wir besser sofort um.” Seth griff das Steuerrad mit beiden Händen, bereit, auf der Stelle in den Hafen zurückzufahren.
Daraufhin blickte sie ihn so ehrlich überrascht an, dass es schon fast zum Lachen war. “Nein! Ich habe ja nicht einmal Zeit, mit Männern auszugehen, von einem Ehemann ganz zu schweigen. Ich schwöre Ihnen, ich bin nicht verheiratet.”
Ihre Empörung wirkte absolut glaubwürdig, und Seth vertraute ihr. Dennoch brauchte er die Publicity.
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