Verführung pur
sein.”
“Na ja, vielleicht waren auch bloß die Schwingungen des Bootes schuld”, wandte Mia ein und errötete vor Scham ob ihrer eigenen Offenheit. Schließlich wollte sie nicht, dass er von ihr dachte, sie bekäme schon bei einem Wangenkuss einen Orgasmus.
Weit gefehlt.
Sie hatte zwar ein paar Mal Sex gehabt, aber nie war sie dabei dahingeschmolzen wie bei Seths Kuss.
Er blickte sie fragend an. “Die Bootsschwingungen?”
“Ja … zum Teil jedenfalls.” Ihr wurde immer mulmiger, sie versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen. Immerhin hatte sie sich für heute vorgenommen, zur Abwechslung verwegen und wagemutig zu sein. Vielleicht sollte sie sich einfach vorstellen, was ihre Mutter in derartigen Momenten zu einem Mann sagen würde. “Liegt es an mir, oder sind diese Schwingungen irgendwie erotisch?”
Nein, das waren nicht die möglichen Worte ihrer Mutter, sondern Mias, die ihrer eigenen Sinnlichkeit konsequent aus dem Weg ging. Aus diesem Grunde hatte sie sich auch der Malerei anstelle der Bildhauerei verschrieben. Sie liebte das Gefühl von nassem Ton auf der Hand viel zu sehr, genoss es, Formen zu bilden, die unter ihren Fingern zu Gestalten wurden. Und gerade weil diese Arbeiten für sie jedes Mal ein ungeheuer sinnliches Erlebnis darstellten, traute sie sich nicht, irgendjemanden sehen zu lassen, was dabei herauskam. Sie hatte zu große Angst, damit Dinge über sich preiszugeben, die sie lieber für sich behielt.
Deshalb träumte sie davon, eines Tages einen großen Garten anzulegen, weil ihr das Gelegenheit gab, mit den Händen in feuchte Erde einzutauchen und sich den betörenden Düften von Jasmin und Jelängerjelieber hinzugeben.
Unter Umständen machte ihre unterdrückte Sinnlichkeit sie ja auch besonders empfänglich für die weichen Bewegungen des Bootes. Sie sah zu Seth, der sie schweigend betrachtete. Was dachte er? Oder versuchte er sich lediglich auf die Schwingungen der Yacht zu konzentrieren.
Für endlose Sekunden tat er nichts, außer dazusitzen und sie anzustarren. Dann kam eine etwas größere Welle, die sie kurz emporhob und wieder sinken ließ, und das seltsame Vibrieren, das dadurch ausgelöst wurde, schien sie beide gleichermaßen stark zu erfassen.
“Oh, verdammt!” Seth sprang auf.
“Verstehst du jetzt, was ich meine?”
“Na, und ob! Und vielen Dank, dass du mir die Angeltouren für die nächsten fünfzig Jahre verdorben hast.” Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. “Wir sollten besser zur Insel fahren, bevor wir uns zu Dingen hinreißen lassen, die wir beide nicht wollen.”
Mia stand ebenfalls auf und schob sich zwischen ihn und das Armaturenbrett, sodass er nicht an die Zündung gelangen konnte. Hinreißen lassen – das klang für sie exakt wie das Abenteuer, zu dem sie heute aufgebrochen war.
Und sie würde auf keinen Fall nach Twin Palms zurückfahren, ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass sie durchaus noch wusste, was Spaß haben bedeutete.
Also raffte sie all ihren Mut zusammen und sagte: “Aber vielleicht möchte ich mich hinreißen lassen.”
Sollte Seth meinen, sie wollte sich mit einem harmlosen Spaß für Touristen zufriedengeben, hatte er sich geirrt. Sie warf ihm ihr bestmögliches Flirtlächeln zu und rückte ein wenig näher.
“Warum zeigst du mir nicht den Rest der Yacht?”
Ebenso gut hätte sie ihn bitten können, ihr seine Briefmarkensammlung zu zeigen. Er wusste genau, was sie damit meinte, und er war sich überhaupt nicht sicher, ob er sich darauf einlassen durfte.
Immerhin kannte er Mia so gut wie gar nicht. Und auch wenn er schon mit mehreren Frauen zusammen gewesen war, hatte er doch nie etwas mit einer Frau angefangen, die er kaum kannte. Zugegeben, einige von ihnen hatte er nicht besonders gut gekannt, bevor er mit ihnen ins Bett ging, aber er hatte zumindest in groben Zügen einordnen können, was für Frauen sie waren – gebildete, erfolgsverwöhnte, leistungsorientierte Frauen, die genauso ehrgeizig und karrierebetont gewesen waren wie er.
Mia passte irgendwie nicht in dieses Raster. Eine Künstlerin, die sich zu ihrer Sinnlichkeit bekannte und nicht zögerte, einen Piraten zu kidnappen und daraus eine aufsehenerregende Szene zu machen, war ihm noch nie über den Weg gelaufen. Und trotzdem versetzte sie die Vorstellung, sie könnte im Fernsehen gezeigt werden, in blanke Panik, obwohl sie sich eigentlich freuen sollte, ein wenig Publicity zu bekommen.
Er konnte sich einfach keinen Reim auf sie machen.
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