Verfuehrung
diese Briefe gedruckt werden. Stell dir bloß vor, was das für Gerede zufolge hätte.«
»So schlimm wird es schon nicht sein«, sagte Jane beruhigend. »Jeder weiß doch, daß die Affäre lange bevor Ravenwood Sophy heiratete stattfand.«
»Der Zeitpunkt der Affäre wird keine Rolle spielen«, sagte Sophy niedergeschlagen. »Es wird Gerede geben, und das wissen wir alle.
Diesmal ist es nämlich nicht einfach Klatsch, was die Featherstone schreibt, sondern sie wird Briefe veröffentlichen, die Julian tatsächlich geschrieben hat. Jeder wird über diese verflixten Liebesbriefe klatschen. Sie wahrscheinlich auch noch in der Oper und bei Gesellschaften zitieren. Der ganze Ton wird sich fragen, ob er mir ähnliche Briefe geschrieben hat, womöglich mit ähnlichem Wortlaut. Ich kann es nicht ertragen, das sag ich euch.«
»Sophy hat recht«, stimmte Anne zu. »Und als Frischverheiratete ist sie noch verletzlicher. Gesellschaftlich werden sich die Leute Ihrer gerade erst bewußt. Da wird das Gerede noch viel boshafter sein.«
An dieser schlichten Wahrheit gab es nichts zu rütteln. Alle drei Frauen verstummten für ein paar Minuten, während ihre Pferde langsam weiter den Weg entlangzockelten. Sophys Verstand arbeitete fieberhaft, aber es war schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, immer wieder drängten sich Julians Liebesbriefe in ihr Bewußtsein.
»Ihr wißt natürlich genau, was passieren würde, wenn die Situation umgekehrt wäre«, sagte Sophy schließlich.
Jane runzelte die Stirn, aber Anne schien zu ahnen, was Sophy meinte.
»Sophy, zerbrich dir nicht den Kopf darüber«, sagte Jane. »Zeig Ravenwood den Brief und laß ihn die Sache regeln.«
»Ihr selbst habt gesagt, er wird der Featherstone einfach sagen, sie soll sich zum Teufel scheren. Die Briefe würden trotzdem erscheinen.«
»Wirklich eine unglückliche Situation«, sagte Anne. »Aber ich sehe keine Lösung.«
Sophy zögerte einen Augenblick und sagte dann leise: »Wir sagen das nur, weil wir Frauen sind und daran gewöhnt, machtlos zu sein. Aber es gibt eine Lösung, wenn man die Sache vom Standpunkt eines Mannes aus sieht.«
Jane sah sie mißtrauisch an. »Was denkst du denn da, Sophy?«
»Das«, verkündete Sophy plötzlich entschlossen, »ist eindeutig eine Frage der Ehre.«
Anne und Jane sahen sich an, dann richteten beide den Blick auf sie.
»Da hast du recht«, sagte Anne langsam, »aber ich sehe nicht, was das ändert, wenn wir es so betrachten.«
Sophy sah ihre Freundin streng an. »Wenn ein Mann einen solchen Brief erhalten würde, der mit Erpressung droht, wegen einer früheren Indiskretion seiner Frau, würde er nicht zögern, den Erpresser zu fordern.«
»Ihn fordern!« Jane war schockiert. »Aber Sophy, das ist doch eine ganz andere Situation!«
»Wirklich?«
»Doch«, sagte Jane rasch. »Sophy, hier geht es doch um dich und eine andere Frau. Du kannst doch nicht ernsthaft so etwas in Betracht ziehen.«
»Warum nicht?« fragte Sophy. »Mein Großvater hat mir den Umgang mit Pistolen beigebracht, und ich weiß, wo ich einen Satz Duellpistolen für dieses Ereignis herkriegen kann.«
»Woher willst du denn einen Satz Pistolen kriegen?« fragte Jane ängstlich.
»In Julians Bibliothek hängt ein sehr schönes Paar an der Wand.«
»Oh, du lieber Gott«, hauchte Jane.
Anne holte entschlossen Luft. »Sie hat recht, Jane. Warum sollte sie Charlotte Featherstone nicht fordern? Das ist doch in jedem Fall eine Frage der Ehre. Wenn die Situation umgekehrt wäre, würde Ravenwood sicher auch irgend etwas Gewalttätiges tun.«
»Ich bräuchte natürlich Sekundanten«, sagte Sophy nachdenklich, als der Plan in ihrem Kopf allmählich Gestalt annahm.
»Ich werde einer deiner Sekundanten sein«, sagte die getreue Anne. »Zufällig weiß ich, wie man eine Pistole lädt. Und Jane wird sich auch freiwillig melden, nicht wahr, Jane?«
»Das ist Wahnsinn«, jammerte Jane. »Das kannst du einfach nicht machen!«
»Warum nicht?«
»Na ja, erst einmal mußt du die Featherstone dazu kriegen, sich mit dem Duell einverstanden zu erklären. Daß sie das tut, ist höchst unwahrscheinlich.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, murmelte Sophy. »Sie ist eine sehr ungewöhnliche Frau. In dem Punkt sind wir uns alle einig. Sie wäre nicht da, wo sie heute ist, wenn sie ein Feigling wäre.«
»Aber, warum sollte sie ihr Leben bei einem Duell riskieren?« fragte Jane.
»Wenn sie eine ehrenwerte Frau ist, wird sie es tun.«
»Aber, genau das
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