Verfuehrung
folgten in diskretem Abstand und unterhielten sich leise miteinander.
Annes Mähne von roten Locken strahlte im Morgenlicht, und ihre Augen funkelten vor Freude, als sie Sophy entdeckte.
»Sophy, ich freu mich, daß du dich uns heute morgen anschließt. Wir sind gerade erst losgeritten. Ist es nicht ein wunderschöner Tag?«
»Für manche vielleicht«, sagte Sophy und ihre Stimme verhieß nichts Gutes. »Aber für andere nicht. Ich muß mit Euch reden.«
Janes ewig ernste Miene verdüsterte sich noch mehr. »Ist etwas Schlimmes passiert, Sophy?«
»Etwas sehr Schlimmes. Mir fehlen die Worte. Es ist wirklich der Gipfel. In meinem Leben bin ich noch nicht so gedemütigt worden.
Hier, lies das.« Sophy reichte Jane Charlottes Brief, und die drei Frauen zügelten ihre Pferde zum Schritt.
»Du lieber Himmel«, sagte Jane, nachdem sie den Brief überflogen hatte. Sie reichte ihn wortlos Anne.
Anne las den Brief rasch durch, dann hob sie sichtlich schockiert den Kopf. »Sie will Briefe abdrucken lassen, die Ravenwood ihr geschrieben hat?«
Sophy nickte mit wütend zusammengekniffenem Mund. »So scheint es zumindest. Außer natürlich, ich bezahle ihr zweihundert Pfund.«
»Das ist empörend«, rief Anne erbost.
»Das war wohl zu erwarten«, warf Jane prosaisch ein. »Schließlich und endlich hat die Featherstone ja auch nicht gezögert, in den ersten Fortsetzungen mehrere Mitglieder der Beau Monde beim Namen zu nennen. Sie hat sogar einen königlichen Herzog erwähnt, wißt ihr noch? Wenn Ravenwood irgendwann einmal mit ihr liiert war, ist es nur logisch, daß er früher oder später auch drankommt.«
»Wie kann er es wagen.« flüsterte Sophy kaum hörbar.
Jane warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Sophy, mein Schatz, du bist doch nicht so naiv. Die meisten Männer der Gesellschaft haben eben nun mal eine Mätresse. Zumindest behauptet sie nicht, Ravenwood wäre immer noch ein Bewunderer. Wenigstens dafür solltest du dankbar sein.«
»Dankbar.« Sophy brachte das Wort kaum heraus.
»Du hast doch mit uns zusammen die ersten Folgen der Memoiren gelesen. Du hast gesehen, mit wie vielen bekannten Namen Featherstone irgendwann liiert war. Die meisten waren in der Zeit ihrer Affäre mit Charlotte Featherstone verheiratet.«
»So viele Männer, die ein Doppelleben führen.« Sophy schüttelte zornig den Kopf. »Und sie besitzen die Unverschämtheit, den Frauen Vorträge über Ehre und ziemliches Verhalten zu halten. Es treibt einem die Galle hoch.«
»Unfair ist das einfach«, fügte Anne wütend hinzu. »Nur wieder ein Beispiel dafür, wie wenig meiner Meinung nach eine Ehe einer intelligenten Frau bieten kann.«
»Warum mußte er denn bloß dieser Featherstone Liebesbriefe schreiben?« fragte Sophy niedergeschlagen.
»Wenn er seine Gefühle schriftlich niedergelegt hat, muß die Affäre vor sehr langer Zeit gewesen sein. Nur ein sehr junger Mann begeht diesen Fehler«, bemerkte Jane.
Ah, ja, dachte Sophy. Ein junger Mann. Ein junger Mann, der noch starker, romantischer Gefühle fähig war. Scheinbar waren Julian all diese Gefühle ausgebrannt worden. Die Gefühle, die sie sich so sehnte, von ihm zu hören, hatte er vor Jahren an Frauen wie Charlotte Featherstone und Elizabeth vergeudet. Für Sophy war nichts übrig geblieben. Nichts.
In diesem Moment haßte sie sowohl Elizabeth als auch Charlotte mit aller Inbrunst ihrer Seele.
»Ich frage mich, warum Featherstone diesen Brief nicht an Ravenwood geschickt hat?« überlegte Anne.
Jane verzog ironisch den Mund. »Wahrscheinlich, weil sie ganz genau wußte, daß Ravenwood ihr sagen würde, sie soll sich zum Teufel scheren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sophys Mann Erpressungsgelder bezahlt, ihr etwa?«
»Ich kenne ihn nicht besonders gut«, gab Anne zu, »aber nach allem, was ich höre, nein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er der Featherstone zweihundert Pfund schicken würde. Nicht einmal um Sophy die Demütigung zu ersparen, die die Veröffentlichung dieser gräßlichen Briefe sicher zur Folge hat.«
»Also«, schloß Jane, »wohlwissend, daß sie wenig Chancen hat, das Geld von Ravenwood zu bekommen, hat die Featherstone beschlossen, es statt dessen mit einer Erpressung Sophys zu versuchen.«
»Ich werde dieser Frau niemals einen Penny bezahlen«, schwor Sophy und riß so heftig an den Zügeln, daß die Stute erschrocken den Kopf hochwarf.
»Aber, was kannst du denn sonst tun?« fragte Anne behutsam. »Du willst doch wohl nicht, daß
Weitere Kostenlose Bücher