Verfuhrt auf dem Maskenball
hatte. „Guten Morgen.“ Sie lächelte.
Georgie erwiderte ihr Lächeln. Sie trug ein schlichtes blassblaues Kleid ohne jeglichen Schmuck, nicht einmal eine Kamee war daran festgesteckt. „Du warst fort, ehe wir über den Abend reden konnten“, sagte sie.
Und plötzlich empfand Lizzie den dringenden Wunsch, ihr alles zu erzählen. „Warte, bis ich angezogen bin, dann treffen wir uns unten.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so schnell angekleidet. Während sie die Treppe hinunterlief, noch immer mit offenem Haar, versuchte sie, sich Georgies Reaktion auf die Ereignisse des vergangenen Abends auszumalen. Georgie saß schon am Esstisch, nippte an ihrem Tee und knabberte an einem Toast, als Lizzie atemlos hereinstürmte. „Du wirst es nicht glauben – und ich fürchte, ich habe die Gelegenheit meines Lebens verpasst!“
Georgie hob die schmalen Brauen. „Hast du jemanden kennengelernt?“
Lizzie setzte sich zögernd und dankte dem Mädchen, das außerdem noch als Köchin und Wäscherin tätig war und ihr jetzt einen Teller mit Toast reichte. Sie schob den Teller beiseite und erkundigte sich: „Hattest du das Glück, einen neuen Verehrer zu finden?“
Georgie lächelte selbstkritisch. „Wem soll ich etwas vormachen, Lizzie? Es liegt ja nicht nur an meiner Größe. Ich bin mehr an Politik interessiert, als es gut für mich ist. Kein Mann will eine Ehefrau, die über die katholische Kirche diskutiert oder über die Erntegesetze. Nein, ich hatte kein Glück.“
Und Lizzie zögerte. Dann ergriff sie die Hand ihrer Schwester. „Du bist die ehrlichste und ernsthafteste Person, die ich kenne. Ich wünsche mir, dass du glücklich bist, Georgie. Bitte gib dich nicht mit einem Ekel wie Peter Harold zufrieden.“
Georgie verzog das Gesicht. „Wir werden sehen.“
Lizzie hatte dabei kein gutes Gefühl.
„Aber du platzt ja fast vor Neuigkeiten.“
Endlich erzählte Lizzie ihrer Schwester jede Einzelheit ihrer Begegnung mit Tyrell de Warenne, wobei sie ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. „Und er wollte unbedingt, dass ich mich mit ihm um Mitternacht im Garten treffe“, schloss sie atemlos.
Erstaunt sah Georgie sie an. Es dauerte einen Moment, ehe sie die richtigen Worte fand. „Mir scheint, du hast ihm gefallen!“
Lizzie schüttelte den Kopf. „Maid Marian hat ihm gefallen – ein kühnes Frauenzimmer, das schamlos mit ihm geflirtet hat.“
„Aber das warst du“, sagte Georgie. Es fiel ihr sichtlich schwer, Ruhe zu bewahren.
„Ich weiß nicht, wer es war“, gestand Lizzie. „Noch nie zuvor habe ich mich einem Mann gegenüber so verhalten. Ich war wie im Rausch – und mir schien es, als stände ich neben mir und hörte meinen eigenen Bemerkungen zu.“
Georgie sah sie besorgt an. „Aber du bist nicht hingegangen. Du bist heimgefahren und hast Anna dein Kostüm überlassen.“
Lizzie biss sich auf die Lippe. „Ich hatte Angst, er würde nach der Demaskierung enttäuscht sein. Aber wenn ich hingegangen wäre, dann hätten wir uns geküsst – und ich wäre so gern einmal von ihm geküsst worden.“
„Du hast dich richtig verhalten“, sagte Georgie so entschieden wie immer. „Eine solche Verbindung würde zu nichts führen – außer du gibst dich mit einer illegitimen Beziehung zufrieden.“
Eigentlich wollte Lizzie erklären, dass sie sich auf so etwas niemals einlassen würde, doch dann erinnerte sie sich an ihre geheimen Träume und sagte lieber nichts dazu.
„Du hast dich richtig verhalten“, wiederholte Georgie. Sie lächelte, während Lizzie sich immer noch fragte, ob ihre Schwester wirklich recht hatte. „Aber du hattest Erfolg, Lizzie. Du hast ihn beeindruckt, und wenn er dich vorher wirklich für ein Dummchen gehalten hat, dann bewundert er dich jetzt jedenfalls.“
„Ja, wirklich, es schien so“, sagte sie leise. Aber jedes Triumphgefühl, das sie vielleicht sonst gehabt hätte, wurde im Keim von ihrem großen Bedauern erstickt.
„Wo ist Anna?“, fragte Mama streng.
Lizzie hatte einen langen Spaziergang auf einer nahe gelegenen Landstraße hinter sich und war gerade hereingekommen. Sie hatte gehofft, sich damit ein wenig von ihren viel zu lebhaften Tagträumen ablenken zu können. Bisher war Tyrell nur ein Fantasiegebilde gewesen, das sie nach Belieben hervorrufen konnte. Jetzt ließ er sie überhaupt nicht mehr los. Doch sie schob sein Bild beiseite, sah ihre Mutter an und erkundigte sich vorsichtig: „Stimmt etwas nicht, Mama?“
„Ja, es stimmt etwas
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