Vergangene Narben
Warum nur ließ ich sowas immer zu? „Okay, meinetwegen. Wo war ich stehen geblieben?“
„Als Raphael in den Hof kam“, erinnerte Ayden mich.
Ach ja, stimmt ja. „Also gut. Mein Vater kam in den Hof“, nahm ich den Faden wieder auf, und erzählte ihnen alles was ich noch wusste. Die Unsicherheit, der Zwiespalt, und die folgenden Ereignisse, die die ganze Schrade ans Tageslicht gebracht hatten. Ich erzählte ihnen von der Jagd nach Markis Jegor Komarow, und wie es dazu kam, dass Cheyenne sich für Sydney entschieden hatte.
Die Aktionen, die meine Mutter gebracht hatte, als sie sich an meinen Vater gehängt hatte, brachten die beiden mehr als einmal zum Schmunzeln, doch als ich ihnen erzählte, wie meine Erzeugerin Papa ins Schloss bestellte hatte, um mich ihm zu übergeben, und auch warum, waren da nur noch ernste Gesichter. „Ich bin ein Dimidius“, endete ich. „Deswegen musste mein Vater mich verstecken. Deswegen lebe ich unter Menschen. Weder Fisch noch Fleisch. Ich kann nirgendwo hin, aber ich habe Cheyenne kennenlernen wollen. Darum bin ich in den Hof der Werwölfe gekommen, obwohl mein Vater es mir verboten hat, und nach einigem hin und her habe ich sie dann auch kennengelernt. Jetzt gibt sie für mich einen Maskenball, damit ich auch mal eine Prinzessin sein kann, und naja, den Rest kennt ihr ja.“
Darauf folgte erst mal Schweigen, das Ayden mit einem Seufzen beendete. „Okay, danke dass du es mir gesagt hast. Ich bringe dich dann jetzt zurück.“
„Ich mach das schon.“ Cio sprang so schnell aus dem Bett, dass Ayden gar nicht die Gelegenheit bekam, aufzustehen. Er reichte mir meine Schuhe, schlüpfte in seine eigenen, und stand dann erwartungsvoll an der Tür. „Kommst du nun, oder willst du hier pennen.“ Er wackelte mit den Augenbrauen. „Dann können wir es uns so sichtig gemütlich machen.“
Aber sicher doch. Am besten noch mit seiner wütenden Freundin, die uns morgen früh Frühstück ans Bett brachte.
Wortlos schlüpfte ich in meine Schuhe, und folgte Cio aus dem Zimmer, durch die Bedienstetengänge hinaus aus dem Schloss. Mehr als einmal bekam ich neugierige Blicke von ihm, und ich wusste genau, dass ihm hunderte von Fragen auf der Zunge brannten, doch ausnahmsweise schwieg er, verabschiedete mich draußen nur noch mit einem Kuss auf der Wange, den ich kaum zur Kenntnis nahm, und verschwand wieder in dem alten Gemäuer. Wahrscheinlich würde er jetzt Ayden mit fragen über den Wahrheitsgehalt meiner Geschichte löchern. Mir sollte das nur recht sein, ich hatte genug für einen Tag. Ich wollte nur noch ins Bett.
Mittlerweile war es hier draußen ganz schön kalt geworden. Ich fröstelte bis in die Zehenspitzen. Die Nacht war trotz des sternenklaren Himmels dunkel. Hier gab es keine Laternen, und so bemerkte ich die Person, die sich im Schutz der Bäume verborgen gehalten hatte erst, als sie mir mitten in den Weg trat.
Zuerst zuckte ich vor Schreck zusammen, weil das einfach unerwartete gekommen war, doch als ich sah, wer da stand, bekam ich wirklich schiss. Diesen mordlüsternen Blick hätte ich überall wiedererkannt.
„So, du glaubst also, dass du dich einfach so ungestraft an meinem Freund ranmachen kannst, ja?“
Ich schluckte, und trat einen Schritt von Iesha zurück. Sie folgte sofort, weswegen ich weiter zurück wich.
„Glaubst du hässliche Qualle wirklich, dass Cio sich für deine Speckschwarten interessieren würde? Oder überhaupt irgendein Kerl? Mit so einem Flittchen wie dir gibt sich doch kein Kerl freiwillig ab. Also was hast du gemacht, dass die beiden sich mit dir rumhängen? Hast du sie bestochen?“
Verdammt, warum rückte die mir so auf die Pelle? Ich wich weiter zurück, aber plötzlich war da eine Wand in meinem Rücken. Scheiße.
„Hast du ihnen Geld gegeben?“ Sie verengte die Augen. „Ich rede mit dir, Schlampe, also antworte gefälligst!“
Ich sah nach links und rechts, hoffte auf Hilfe, aber da war keiner. Schieße, dieses Weib machte mir langsam richtig Angst. Bei der war im Kopf doch irgendwas kaputt.
„Oder was hast du gemacht? Die beiden würden sich doch niemals freiwillig mit dir abgeben.“
„Du bist doch psychisch gestört“, rutschte es mir über die Lippen. Großer Fehler. In ihren Augen loderte der Hass auf, und im nächsten Moment packte sie mich in den Haaren, um meinen Kopf mit dem Gesicht voran gegen die Mauer zu klatschen. Das Glas der Brille brach, ein Splitter bohrte sich in meine Wange, und ein Schrei des Schmerzes kam über meine
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