Vergangene Narben
oder? Vielleicht hatte er ja auch nur Angst sich von dem vertrauten zu trennen, und etwas neuem zu öffnen.
Ich schnaubte über meine eigenen Gedanken, und machte mich daran leise die Scherben von der Kommode zusammenzusammeln. Auch die, mit der er sich geschnitten hatte. Ein Tropfen seines Blutes haftete noch daran. Warum sollte er sich ausgerechnet mir öffnen, oder noch besser, seine hübsche Freundin verlassen, um mit mir zusammen sein zu können? Ich hatte nichts was ich ihm bieten konnte, nicht mal die Sicherheit bei ihm zu bleiben, sobald meine Eltern wieder da waren.
Ich drückte die Lippen fest aufeinander.
Denk nicht dran,
mahnte ich mich.
Nicht jetzt, nicht solange alles so ungewiss ist.
Aber jetzt waren sie wieder in meinem Kopf. Für einen Moment, für die Zeit die ich mit Cio zusammen war, hatte ich es vergessen können, doch jetzt kam alles wieder zurück, und ich fühlte mich genauso hilflos, wie schon zuvor.
Alles was gestern und heute passiert war, brach wieder über mir zusammen, und ich musste die Zähne zusammen beißen, um nicht darunter zu zerbrechen.
Du bist so stark, Zsa Zsa, dass du es nicht mal merkst.
Wie schön wäre es doch, wenn er recht hätte. Ich wollte stark sein, aber ich war es nicht. Ich war nur ein verschüchtertes Schäfchen, das zu feige war die ihm von der Geburt gegebenen Zähne und Krallen einzusetzen, aus Angst selber verletzt zu werden.
Du bist mein verschüchtertes Schäfchen.
Ein leises Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Er hatte das so ernst gesagt, und die Gefühle, die das bei mir ausgelöst hatte, wallten wieder in mir hoch. Sein Schäfchen. Seine Eva, und auch seine Zsa Zsa. Er hatte mir so viele Spitznamen gegeben, und jeder bedeutete etwas anderes.
Die Scherben aus meiner Hand landeten leise klirrend im Mülleimer neben der Tür. Dann zog ich mir den Sessel ans Bett, um ihn von da aus in ruhe betrachten zu können. Merkte er eigentlich gar nicht, was seine Worte und seine Taten immer in mir auslösten? Dass sie mich dazu brachten, Gefühle für ihn zu haben, die keine Zukunft haben konnten?
Ein Klopfen an der Pforte zu meinem Zimmer ließ mich aufblicken. „Ja?“
Die Tür öffnete sich einen Spalt, nur so weit, dass Kian hindurchschlüpfen konnte, dann war sie wieder zu.
„Hey“, lächelte ich vorsichtig, und hoffte, er nahm es mir nicht mehr übel, dass ich ihn praktisch aus dem Zimmer geworfen hatte.
Kian nickte zu Cio hin. „Was ist mit ihm? Hast du ihn ausgesaugt, und uns damit vom ihm erlöst?“
Dafür bekam er einen finsteren Blick. „Er schläft, weil er erschöpft ist.“
„Ja, von dem Trockenorgasmus“, spottete mein bester Freund, und schlenderte zu mir rüber, um einen besseren Blick auf den Schlafenden zu haben. „Ich mag ihn nicht.“
„Wäre mir nicht aufgefallen, wenn du es nicht gesagt hättest.“ Hallo Sarkasmus!
Kian seufzte. „Der will dir nur an die Wäsche, genau wie dieser andere Idiot. Und dann lässt er dich sicher genauso fallen.“
„Du meinst wie dein Cousin?“
Jetzt war es an ihm einen finsteren Blick aufzusetzen. „Das ist nicht mein Cousin, das ist der Sohn von der Schwester meiner Pflegeeltern. Ich bin mit dem nicht verwandt, und ich habe dich gleich vor ihm gewarnt.“
Ja, dass hatte er, aber ich hatte ja nicht hören können, bis ich den daraus folgenden Schmerz am eigenen Leib gespürt hatte. Doch da war es bereits zu spät gewesen. „Aber Cio ist nicht so“, sagte ich leise, und hoffte, dass ich damit recht hatte. „Er ist ganz anders.“
Dazu sagte Kian nichts, doch sein Schweigen verriet alles. Er glaubte mir nicht.
°°°
Sie wollen mich töten
„Wach auf, Ys-oog, wach doch bitte endlich auf.“ Unentwegt strich Tarajika über den Kopf, der in ihrem Schoß ruhte. Seit Rahsaan, ihr Vater in ihre Wohnung eingedrungen war, und ihn niedergeschlagen hatte, war er nicht mehr zu sich gekommen.
Tarajika kniff die Augen zusammen, und versuchte die Bilder dieses schrecklichen Moments aus ihrem Kopf zu verbannen, dem Augenblick, als sie in ihr Zuhause gestürmt waren, und sich auf sie stürzten. Sie war stark, aber gegen die Übermacht an Männern hatte sie keine Chance gehabt, und auch wenn Raphael für sie gekämpft hatte, sogar getötet hatte, um sie zu schützen, war er letztendlich unterlegen gewesen. Und das nur wegen diesem kleinen Hund, den ihre Tochter so liebte.
Ihr stiegen immer noch die Tränen in die Augen, wenn sie daran dachte, wie Flair sich auf Pandu gestürzte, und sich in seiner Wade
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