Vergangene Narben
genug, um mich auch nur in die Nähe der Gefangenen zu lassen. Es ist schon gefährlich genug, dass ich Euch mit Informationen versorge. Mehr kann ich im Moment leider nicht tun.“
„Nein, mir tut es leid.“ Cheyenne rieb sich wieder über das Gesicht. „Du tust schon genug für mich, und bringst dich damit selber in Gefahr. Mehr kann ich nun wirklich nicht verlangen.“
Sein Blick wurde ganz weich. „Cheyenne, wenn ich könnte …“ Plötzlich riss er den Kopf alarmiert herum. Ein schnelles „Ich muss Schluss machen“ war alles was wir noch von ihm hörten, dann war die Verbindung unterbrochen.
Mir wurde ganz mulmig bei dem Gedanken, was sich da am anderen Ende der Leitung so abspielte. Ich hatte nicht alles verstanden, doch dass die Lage sehr ernst war, das war deutlich herauszuhören gewesen. Das war wie ein Weltuntergansszenario. Trotzdem, bei all dem engstirnigen Denken der Werwölfe, verstand ich einfach nicht, warum sie wegen so einer Kleinigkeit alles auf Spiel setzten. Ihre ganze Existenz geriet durch ihr Verhalten in Gefahr. Sie mussten doch Intelligent genug sein, um zu wissen, dass eine Entdeckung ihrer Spezies mit einem Freifahrtscheins ins Kuriositätenkabinett gleichkam. Das war wie Forschern eine Einladung zu schicken, um sie sich auf dem Seziertisch genauer anzusehen. Oder eben auch eine Verlockung für Großwildjäger. Sie setzten alles aufs Spiel, ihr Leben, und das nur, weil sie sich betrogen fühlten.
Das war für mich einfach unverständlich.
Cheyenne stützte sich mit den Armen auf den Tisch, sah die Papiere, die Fotos und Schriftstücke an, als seien sie für all das Verantwortlich, nur um alles mit einem wütenden Schrei vom Tisch zu fegen.
Ich trat einen Schritt näher an Cio heran, als sie wütend in dem papierregen stand, und die Arme um sich selber schlang. Leider bemerkte sie mein Zurückweichen, drückte die Lippen wieder fest aufeinander, um dann den Blick abzuwenden. Ich hatte die Kränkung darin gesehen, aber was sollte ich den tun? Wütende und verärgerte Menschen hatten mir schon immer Angst eingejagt. Und dass sie im Grunde kein Mensch war, sondern ein halber Werwolf, machte es nicht besser. Ganz im Gegenteil. Werwölfe waren meiner Meinung nach noch viel unberechenbarer.
Etwas das mein Vater mir einmal gesagt hatte, ging mir bei diesem Gedanken durch den Kopf. „Werwölfe sind Tiere in der Gestalt eines Menschen, und ihre Intelligenz macht sie doppelt so gefährlich. Sie leben nach dem Gesetz des Stärkeren.“
Als Sydney seine Arme um Cheyenne schlang, und sie das Gesicht an seiner Schulter versteckte, kam Diego zurück in die Küche. Wenn es möglich war, schaute er sogar noch grimmiger als vorher.
„Das war Fynn. Mit Sadrija und den Zwillingen besteht weiterhin kein Kontakt. Keiner weiß was bei ihnen los ist.“
Sydney spannte sich deutlich an. Auch wenn er es sich nicht anmerken ließ, es machte ihr fertig, dass er nicht wusste, was mit seinen Töchtern war. „War denn in der Zwischenzeit jemand auf ihrem Anwesen?“
Diego schüttelte den Kopf. „Bisher nicht. Auf die Wächter in Frankreich konnten wir leider nicht mehr zurückgreifen, und die Drachen haben sich verstreut. Fynn versucht aber weiterhin Tristan und Lucy zu erreichen. Die beiden haben einen Auftrag ganz in der Nähe von Brüssel, vielleicht können die beiden sich mal ein bisschen auf dem Anwesen umsehen.“
Cheyenne gab ein ersticktes Geräusch von sich.
„Wenn alles nicht hilft, dann kann ich auch jemanden aus meinem Rudel schicken, der mal nach dem Rechten sieht“, bot Gero an. „Allerdings geht das erst, wenn die Lage sich ein wenig beruhig hat. Ich werde keinen meiner Wölfe mitten ins Chaos schicken. Die Abtrünnigen wurden bisher nicht belästig, und ich ziehe es vor, dass es weiterhin so bleibt. Ich will nicht in einen Kampf gerissen werden, der nicht meiner ist.“
Das war grausam. Ich verstand ihn, aber hier ging es um Cheyennes Töchter, um meine Halbschwestern.
Neben mir Seufzte Cio schwer, und rieb sich über die Augen. Er musste diese ganzen Informationen wohl auch erst mal verarbeiten. Die Zwillinge waren ihm vertraut, und ich hatte bereits im Wagen gemerkt, dass er sich Sorgen um sie machte. Wie auch nicht? Er musste sie kennen, seit sie Babys waren.
„So“, ließ dieser Javan verlauten. „Der Kaffe ist fertig. Wer will welchen?“
War das sein ernst? Wie konnte man in diesem Moment an Kaffe denken? Das war mir unbegreiflich.
Cio kümmerte sich nicht weiter darum, was die da
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