Vergangene Narben
…“
„Das ich nie wieder auf dem Thorn sitzen werde“, vollendete Cheyenne bitter seinen Satz. „Das ich mein ganzes Leben nach diesen missratenen Verrätern ausgerichtet habe, und ihnen alles gegeben habe was ich nur konnte, ist plötzlich völlig egal! Ich habe alles geopfert, sogar mein Kind, nur um jetzt vor dem Nichts zu stehen?!“ Sie erhob sich hastig von ihrem Stuhl, und lief aufgebracht im Raum hin und her.
Ich trat vorsichtshalber einen Schritt zur Seite, um nicht von ihr umgerannt zu werden.
„Diese Dummköpfe! Glauben sie wirklich, dass sie mit ihr jetzt besser dran sind?!“
„Sie sehen nur die Reinheit des Blutes“, gab Eddy schwach von sich.
Cheyenne schnaubte. „Als wenn ihr Blut so viel reiner wäre, nur weil all ihre Verwandten sich ein Fell wachsen lassen können. Ich stamme aus direkter Linie von König Isaak ab, mein Odor ist sogar stärker als seines, was wollen diese Idioten den noch?!“
Eddy sah kurz zur Seite auf etwas, dass außerhalb unseres Sichtfeldes lag, als hätte er etwas gehört. Lauschte kurz, und richtete sich dann wieder an Cheyenne. „In diesem Fall ist es egal, von wem Ihr abstammt, oder wie stark euer Odor ist. Euer Rudel fühlt sich betrogen, und die Ausschreitungen die die Lüftung Eures Geheimnisses nach sich ziehen, sind sehr gravierend. Außerdem wurde ihnen eingeredet, dass der Grund für Eure Schwäche Euer unreines Blut ist. Damit hat sich bei den Wölfen der Eindruck, dass man einen solchen Posten nicht an einen Dimidius geben darf, verstärkt.“
„Schwäche.“ Cheyenne schnaubte. „Du meinst wohl, dass sie jetzt endlich einen Grund für den geistigen Zustand ihrer Verrückten Königin gefunden haben.“ Unwillig schüttelte sie den Kopf. „Solche verdammten Arschlöcher! Auf die Idee das dieser Hurensohn Jegor daran schuld ist, kommen sie nicht von allein.“
Darauf folgte betretenes Schweigen, was ich nicht ganz verstand. Was hatte das den jetzt mit dem geistigen Zustand meiner Erzeugerin zu tun? Ich meine, ich wusste ja das sie im allgemein als verrückt und ein wenig durchgeknallt galt, aber eigentlich hatte ich immer geglaubt, das läge an ihrer unvorhersehbaren Art. Doch langsam ahnte ich, dass dem nicht so war.
Plötzlich kamen mir Worte in den Sinn, die Sydney auf meinem Maskenball zu mir gesagt hatte.
Cheyenne braucht mich. Sie ist nicht so stark, wie es den Anschein erweckt. Sie ist … ihr Nervenkostüm ist sehr dünn.
War das Gerede von der Verrücken Königin vielleicht doch mehr als einfache Worte? Bei ihrer Vergangenheit war der Gedanke gar nicht so abwegig. In ihrem Leben war ihr so viel wiederfahren, so viele grausame Dinge, da musste notgedrungen irgendwann etwas hängen bleiben.
„Vergiss es einfach“, sagte Cheyenne dann, und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. „Sag mir lieber, wie die Lage bei dir aussieht.“
„Hier den Posten zu halten ist im Moment nicht sonderlich einfach, und ich musste viele Wächter auch auf Außeneinsätze schicken, um wenigstens einigermaßen Ordnung zu schaffen. Zwei davon sogar zu den Menschen.“
Cheyenne blieb abrupt stehen, und wirbelte zu ihm zurück. „Menschen? Was soll das heißen?“
Diegos Handy bimmelte. Mit einem kurzen Blick darauf versicherte er sich wer ihn da anrief, dann hielt er es sich auch schon ans Ohr, und verließ mit einem „Ich höre“ die Küche.
„Das soll heißen“, führte Eddy seine Ausführungen fort, „dass insgesamt sieben Menschen gesehen haben, wie sich die Wölfe in einem Machtkampf verwandelt haben. Ich habe sie alle in die nächste Wächterzentrale bringen lassen, wo sie bleiben müssen, bis ich einen Vampir finde, der ihnen die Erinnerung nimmt.“ Sein Blick verdunkelte sich leicht. „Es tut mir leid, aber mir blieb keine andere Wahl. Seit heute Morgen haben sich immer mehr Vampire zurückgezogen, und weigern sich einzuschreiten, und da die Drachen alle verschwunden sind …“ Er zuckte die Schultern, da sich der Rest des Satzes von selber Erklärte. Keine Drachen, keine Vampire die helfen würden, keine Aussicht darauf, dass diese Menschen so schnell wieder nach Hause können.
„Die Drachen.“ Cheyenne drückte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Kannst du die Drachen befreien? Levi und Alexia? Und … und meinen Vater?“
Bedauernd schüttelte er seinen Kopf. „Nein. Ich stehe im Moment noch unter ständiger Beobachtung ihrer Leute. Zwar habe ich Euch gegenüber offiziell meine Treue abgeschworen, aber sie vertrauen mir nicht
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