Vergangene Narben
vielsagenden Blick mit Alina, und machte dann den Vorschlag: „Ich glaube einer von uns sollte vorne sitzen.“
„Ich mach das“, sagte Alina.
Ihre schnelle Zusage machte mich misstrauisch, und dazu hatte ich auch guten Grund. Wenn sie vorne bei Ayden saß, dann war sie ihm nicht nur näher, sie verbannte mich damit auch zusammen mit Cio auf den Rücksitz. Nicht das mich das stören würde, ich fuhr gerne neben Cio, doch was mich daran störte, waren ihre Hintergedanken.
Zum protestieren kam ich aber nicht mehr. Kaum hatte sie es gesagt, kletterte sie auch schon auf den Beifahrersitz.
Cio musterte sie. „Also manchmal ist deine Cousine wirklich seltsam.“
„Hast du eine Ahnung“, seufzte ich, und sah zu Kian hinüber, der sich durch das Fenster ein Blickduell mit Ayden lieferte. „Steig jetzt einfach hinten ein, wir haben keine Zeit für diese Kinderein. Ihr könnt später klären, was auch immer es da zu klären gibt.“ Ich öffnete die Wagentür, und nahm in der Mitte auf dem Rücksitz Platz. Cio verstaute noch einen Großteil seiner Einkäufe im Kofferraum, und rutschte dann neben mich. Erst dann ließ Kian sich dazu herab, auf meiner anderen Seite Platz zu nehmen. Dabei stieß er seine Knie beim Schließen der Tür mit voller Absicht in den Vordersitzt.
Ayden funkelte ihn durch den Rückspiegel an, griff dann unter nach unten, und rückte den Sitz ruckartig nach hinten, sodass er Kians Beine einklemmte.
Mein bester Freund fluchte sehr einfallsreich, und versuchte den Sitz dann mit den Armen wieder nach vorne zu drücken. Klappte natürlich nicht.
„Sag mal, kriegt ihr zwei euch jetzt mal langsam wieder ein?“, fragte Alina da. „Ihr benehmt euch schlimmer als kleine Kinder.“
„Ich hab jedes Recht mich so zu benehmen, nachdem was er getan hat!“, verteidigte sich Ayden.
Kian schnaubte. „Fass dir mal an die eigene Nase.“
Ich runzelte die Stirn. „Was ist denn nur los?“
„Nichts“; kam es unison von den beiden, was den Ärger auf den anderen bei ihnen natürlich weiter schürte. Einen Moment funkelten sie sich durch den Rückspiegel an, dann murmelte Ayden etwas unverständliches, rückte seinen Sitzt wieder nach vorne, und startete den Motor.
Ich warf meinem besten Freund einen scharfen Blick zu, als wir vom Parkplatz der Tankstelle rollten, doch er bemerkte es nicht, da er stur mit verschränkten Armen aus dem Fenster starrte.
Hilflos wandte ich mich zu Cio um, doch der zuckte nur die Schultern, und kramte dann in der Tüte zwischen seinen Beinen herum. Als er dort nicht fand wonach er suchte, beugte er sich über den Rücksitz, um an die Tüten im Kofferraum zu gelangen. Dabei kam er mir so nahe, dass ich das Gesicht abwenden musste, um nicht in Versuchung zu kommen, es an seiner Brust zu vergraben, um ihm noch näher zu sein. Und natürlich entging mir auch nicht der verführerische Streifen nackter Haut, unter dem hochgerutschten Pullover, über den ich so gerne einmal gestrichen hätte. Verdammt, was war im Moment nur mit mir los? Seit gestern schienen meine Hormone bei seinem Anblick völlig verrückt zu spielen.
Das war nicht gut.
Das war gar nicht gut.
Ich war wirklich richtig im Arsch.
„Hier“, sagte Cio dann triumphierend, und ließ sich dann wieder neben mir in den Sitz rutschen, um mir grinsend eine Tüte Gummibärchen vor die Nase zu halten. „Die sind für dich.“
So wie er grinste, sah ich mich gezwungen zurück zu lächeln. Auch wenn mir gerade nicht nach Gummibärchen war, die Geste war nett, und deswegen nahm ich ihm die Tüte aus der Hand, und ließ sie in meinen Schoß sinken. „Danke.“
Cio sah missbilligend auf die kleine Tüte. „Die waren nicht als Anschauungsmaterial gedacht, sondern zum essen.“
„Ich hab gerade keinen Hunger.“ Und außerdem befürchtete ich, dass mir das süße Zeug im Moment auf den Magen schlagen würde. Die anderen wären bestimmt nicht begeistert, wenn ich eine Runde Rückwärts-essen spielen würde, um die Vordersitze hübsch um zu dekorieren. Genau wie der vermeidliche Besitzer dieses Wagens. Ja, wir hatten ihn geklaut, aber wir hatten auch vor, ihn vollgetankt zurückzubringen. Unbeschädigt, wenn es möglich war.
Jetzt sah Cio richtig finster drein. „Du willst schon wieder nichts essen? Du hast auch schon vorhin das ganze Zeig verweigert.“
„Ich hab eben keinen Hunger.“ Mit den Fingern zupfte ich an der Ecke der Gummibärchentüte. Neben dem Rauschen des Straßenverkehrs, war es das einzige Geräusch im Wagen.
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