Vergangene Narben
das Rauschen der Wellen, die gegen das Schiff und den Steg schlugen machten in dieser Nacht Geräusche. Und mein Herzschlag, der so laut in meinen Ohren pochte, dass das Wellenrauschen dabei fast unterging.
In den Schatten der Container drückte Cio seinen Körper beruhigend an mich.
„Ganz ruhig“,
raunte er in meinen Gedanken, als fürchtete er, jemand könnte uns hören. Doch wir waren alleine. Er, Ayden und ich. Kian und Alina waren am Wagen geblieben. Kian war nur ein Mensch, und Alina konnte sich aufgrund ihrer fehlenden Pfote nicht schnell bewegen. Es war einfach sicherer, dass wir sie zurückgelassen hatten.
Im Schatten neben mir stellte Ayden die Ohren auf, um jedes noch so kleine Geräusch in dieser Nacht einfangen zu können. Doch wir waren alleine, keine andere Seele trieb sich zu dieser nächtlichen Stunde hier am Hafen herum, auf dem in jedem Schatten Bewegungen zu lauern schienen.
Auch auf dem Schiff schien sich niemand zu befinden, zumindest nicht im Augenblick. Doch das täuschte. Der Geruch von Therianthropen wehte mit der salzigen Meeresluft zu mir hinunter. Auch wenn wir sie im Moment nicht sehen konnten, sie waren da, und das war der Grund, warum wir noch hier unten im Schatten des roten Containers kauerten, anstatt uns schon auf dem Schiff umzusehen.
„Ich vermute, dass sie alle unter Deck sind“,
ließ Ayden uns wissen, und sah zu der Rampe, die das Schiff mit dem breiten Steg verband.
„Meint ihr sie schlafen?“,
wollte ich wissen.
Cio wiegte den Kopf skeptisch hin und her.
„Ein paar sicher, aber nicht alle.“
Er erhob sich, streifte mit seinem braunen Fell wieder das meine, und hielt den Blick dabei auf einem beleuchteten Bullauge gerichtet.
„Sicher werden sie die Ladung die ganze Nacht bewachen. Deswegen macht es wohl auch keinen Sinn, wenn wir noch länger warten. Wir müssen nur leise sein.“
Leise könnte ein Problem werden, so laut wie das Herz in meiner Brust trommelte. Trotzdem erhob ich mich, den Blick wachsam auf das Schiff gerichtet, und folgte Cio und Ayden, als die beiden sich geduckt in Bewegung setzten.
Wir huschten von einem Schatten in den nächsten. Unsere Krallen klickten unnatürlich laut auf dem Beton. Vielleicht kam es mir aber auch nur so vor, weil die Angst vor Entdeckung, bevor ich meine Eltern dort rausholen konnte, mich fest in seinen Klauen hielt.
Noch einen Container weiter, dann erstreckte sich vor uns die offene Fläche des Stegs, die wir überbrücken mussten, um auf das Schiff zu kommen.
Cio stupste mir mit der Nase gegen die Wange, schaffte es aber auch damit nicht, meine Anspannung zu lösen.
„Bist du sicher, dass du nicht lieber hier warten möchtest? Wir können auch ohne dich gehen.“
„Nein.“
Mein Blick glitt von der Rampe zu den Containern. Waren meine Eltern vielleicht in einem von ihm gefangen? Oder hatten die Therianthropen sie unter Deck gebracht?
„Ich muss das tun. Es ist meine Schuld, dass sie hier sind.“
„Niemand kann etwas dafür. Der einzige Schuldige hier ist der Aberglaube“,
sagte Ayden ruhig, sah sich dann noch einmal wachsam um, und huschte dann ohne auf uns zu warten, über die Freifläche die keine Deckung für uns bot.
Ich wartete nicht auf Cio, folgte ihm einfach, rannte in geduckter Haltung über den dunkeln Steg auf die Rampe zu, an dessen unteren Ende Ayden auf uns wartete, und vorsichtig nach oben spähte. Der Wind des Meeres zerzauste mir mein Fell, und die Gischt der Wellen konnte ich auf meiner Schnauze spüren.
Es war ziemlich windig, fast schon stürmisch, doch das Schiff lag ruhig auf dem Wasser.
Cio drängte sich an der Rampe an uns vorbei, und übernahm die Führung, huschte fast lautlos die Brücke hinauf, und spähte oben an der Reling vorsichtig um die Ecke.
„Die Luft ist rein“,
ließ er uns wissen, und im nächsten Moment war er auf dem Schiff verschwunden.
Ayden und ich machten dass wir schnell hinter ihm herkamen. Erst als ich neben meinem Halbbruder die Rampe verlassen hatte, bemerkte ich, dass das Schiff doch nicht so still lag, wie es auf den ersten Blick erschien. Leichte Schaukelbewegungen ließen es unter meinen Pfoten ein wenig schwanken. Ich drückte mich leicht gegen Ayden, als ich den ersten zögerlichen Schritt auf das Schiff machte. Cio war schon zwischen den Containern verschwunden. Ich wusste genau wo er war, sein Geruch hing noch in der Luft.
„Wir teilen uns wohl besser auf, dann können wir das Schiff schneller absuchen“,
flüsterte Ayden.
„Ich gehe zu den Kajüten,
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