Vergangene Narben
Lautsprecher mit der Hand. „Ich soll dich fragen, hast du einen Freund?“
„Einen …“ Etwas perplex riss ich die Augen auf. „Nein, hab ich nicht.“
Er nahm das Handy wieder ans Ohr. „Nein, sie ist Single.“ Er lauschte wieder. „Ja … ja … frag sie das doch selber!“ Er seufzte genervt, und verdrehte übertrieben die Augen. „Jaden, sieh es doch mal von dieser Seite, wenn du sie fährst, hast du für diesen Monat den Pflichtbesuch bei deinen Eltern hinter dir, und verdienst dabei sogar noch Geld. Außerdem hast du zumindest auf der Hinfahrt eine Begleitung, und langweilst dich nicht. Meinst du nicht das wären genug Gründe um das Vielleicht-Treffen mit Emma abzusagen?“
Wieder eine Pause.
„Siehst du. Ja … ja.“ Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand. „Okay, sag ich ihr … okay. Ja … bye.“ Er legte auf, und steckte das Handy zurück in seine Tasche.
„Und?“, fragte ich.
„Er fährt dich. So um sechs kommt er dich hier abholen.“
Das war noch eine knappe Stunde. „Wirklich?“
Draußen im Flur schrille es an der Tür, und einem Moment später war lautstark zu vernehmen, dass Gwendolyn sich darum kümmerte.
„Wenn ich es doch sage.“
Freudig kreischend sprang ich auf die Beine, und fiel ihm erst mal um den Hals. Bis ich merkte was ich da trieb, und peinlich berührt einen Schritt zurück tat – tja, das Verhalten meiner Mutter hatte wohl doch mehr auf mich abgefärbt, als ich geglaubt hatte. „Tut mir leid“, nuschelte ich, konnte aber nicht aufhören wie blöde zu grinsen. Ich würde nach Tenor fahren. Ich würde
wirklich
nach Tenor fahren! Das konnte ich kaum glauben. Wirklich, ich würde es tun!
„Schon okay. Aber mach das nicht noch einmal!“
Grinsend nickte ich.
„Pizza ist da!“, rief da Gwendolyn so laut, dass es wahrscheinlich noch die Nachbarn aus der obersten Etage gehört hatten.
Einen Moment später ging Olivers Zimmertür auf, und die blasse Blondine mit einem Stapel Pizzakartons in der Hand strahlte uns an. „Kommt schon, essen fassen, bevor es kalt wird.“ Sie grinste mich an. „Und dann geht’s ab in den Klamottenwahn. Wir müssen für heute Abend die perfekten Outfits zusammenstellen, damit wir alle vom Hocker reißen!“
Ach ja, da war ja noch was. Mist, dass hatte ich in der ganzen Aufregen voll verdrängt. „Ähm … ich glaube das mit heute Abend wird doch nichts“, sagte ich vorsichtig. Schließlich bestand für mich jetzt kein Grund mehr diesen Club aufzusuchen.
Gwendolyns Lächeln sackte in sich zusammen. „Was? Warum nicht?“
„Naja, weil ich … weil …“ Ja, warum nicht? Jemand sollte wirklich mal einen Ausreden-Generator-für-alle-Gelegenheiten erfinden. „Also, ich kann nicht, weil …“ Hilfesuchend sah ich zu Oliver, der und mit hinter dem Kopf verschränkten Armen beobachtete.
Er seufzte. Nervte ihn wohl, dass es jetzt an ihm hängen blieb. „Zaira kann nicht mit, weil sie gegen sechs abgeholt wird. Ihre Mutter hat gerade angerufen. Die muss ganz dringen irgendwo hin, und Zaira muss deswegen nach Hause um das Haus zu hüten.“
Na auf die Ausrede hätte ich eigentlich auch alleine kommen könne. Entschuldigen sah ich zu Gwendolyn rüber. „Tut mir echt leid.“
„Na toll.“ Sie sah echt enttäuscht aus. „Und ich hatte mich schon so darauf gefreut.“
Wollte sie mir ein schlechtes Gewissen machen? Dann hatte sie das hiermit geschafft.
Seufzend erhob sich Oliver von seinem Stuhl, ging zu ihr herüber, und drückte ihr einen freundschaftlichen Kuss auf die Schläfe. „Komm, vergiss Zaira, ich geh mit dir nachher da hin.“
„Wirklich?“ Fast ungläubig sah sie ihn an. „Aber du magst diesen Club doch nicht mal. Du hast selbst gesagt, du würdest nur über deine Leiche ein Fuß in diesen Laden setzten, weil da nur Möchtegern-Vampire und Idioten hingehen. Und ich.“
Na wenigstens hatte er für sie eine eigene Kategorie geschaffen.
„Und ich stehe zu meinem Wort. Trotzdem geh ich mit dir da hin. Für dich mach ich ausnahmsweise mal eine Ausnahme.“
So wie Gwendolyn grinste, schien sie nichts dagegen einwenden zu wollen.
Tja, damit war ich wohl nicht nur abgeschrieben, sondern auch gleich noch gut ersetzt.
„Hey!“, rief es da aus den Tiefen der Wohnung. „Wo bleib die verdammte Pizza?“
Das konnte nur Paul gewesen sein.
„Ich komm ja schon.“ Augenverdrehend verließ Gwendolyn das Zimmer. „Sei nicht immer so ungeduldig.“
„Ey, ich hab Hunger!“
„Ich glaub da liegt vom Frühstück noch ein angebissenes
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