Vergangene Narben
kaum glauben, obwohl ich es direkt vor mir sah.
Cio riss mich wieder zurück, als ich zu ihm wollte. Ich verstand nicht warum, sah die Wächter nicht, die auf uns zustürmten. Ich hatte nur Augen für meinen Vater, und dem roten Lebenssaft, der unaufhaltsam aus der Wunde quillte.
Regungslos.
Tot.
Der Diener hatte ihn getötet.
Jemand rief dass man schnell einen Arzt für die Gräfin holen müsste. Ein anderer rannte los um Verstärkung zu holen, und König Cerberus eiligst über diesen Zwischenfall aufzuklären.
Ich bekam das gar nicht mit, bemerkte nicht wie Cio mich hinter sich schob, sah nur meinen Vater und den Diener, der sich ihm nun zuwandte. Die Waffe zielte dabei auf den Mann, der mich mein ganzes Leben lang beschützt hatte.
Ich wusste dass es hier nicht für dich sicher sein würde.
Ich begriff nicht was ich da sah, verstand nicht, dass jemand der bereits tot war nicht noch einmal erschossen werden musste. Da waren nur die geschlossenen Augen meines Vaters, und das Blut, das langsam an seiner Schläfe entlang auf den Boden tropfte.
Tropf.
Tropf.
Tropf.
Ich bekam keine Luft mehr, etwas drückte mir die Brust zusammen. Dieser Schmerz. Es tat so weh, und noch bevor ich verstand, was da mit mir geschah, spürte ich den Sog, der mich mit Gewalt in die Gestalt eines Wolfes zwang. Noch nie in meinem Leben hatte mir die Verwandlung ein Leid zugefügt, doch dieses Mal spürte ich so unglaublichen Schmerz, dass ich darunter fast zusammenbrach. Das Leid reichte bis in meine Seele.
Meine Kleidung hielt dem Druck nicht stand, riss und zerrte an mir, während der Schmerz meine Sinne unterjochte, und ich nichts außer ihm mehr wahr nahm. Ich fiel nach vorne, kam mit den Pfoten auf, und hatte dennoch das Gefühl immer weiter zu fallen. Hinab in einen tiefen, dunkeln Abgrund, aus dem es kein Entkommen gab.
Jemand rief meinen Namen, doch das einzige was ich sah war der Diener, der mit seiner Waffe auf meinen Vater zielte. Das konnte ich nicht zulassen, dieser Leib durfte nicht noch mehr zerstört werden.
Plötzlich war da diese rasende Wut, die alle meine Sinne benebelte. Mein Hirn war taub, ließ keinen klaren Gedanken mehr zu. Und dann stürzte ich mich in diesem heillosen Durcheinander auf den Mann mit den eiskalten Augen. Ich hörte einen Knall, spürte einen stechenden Schmerz an der Schulter, dann krachte ich auch schon in ihn rein, und knallte mit ihm zu Boden.
Ein Schrei drang an mein Ohr, ein unmenschliches Geräusch in Todesqualen. Ein zweiter. Jemand rief nach mir, jemand rief nach Hilfe, und jemand rief nach dem König. Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge, spürte zwischen meinen Zähnen rohes Fleisch, und brechende Knochen.
Ein Knall, jemand schoss, noch ein Knall.
Ich bekam es kaum mit. Das einzige was zählte war der Diener, und die Gefahr, die er für meinen Vater bedeutete. Es war allein der Instinkt der mich leitete. Nie in meinem Leben war ich so sehr Wolf wie in diesem Moment gewesen, als alles in mir mich dazu trieb die Gefahr zu beseitigen.
Plötzlich rief Cio nach mir. Ein dumpfer Schlag, und ein Aufstöhnen begleitete die letzte Silbe meines Namens. Es war der Klang, der dafür sorgte, dass ich von meinem Opfer abließ, dieser panische Ton. Hastig wirbelte ich herum, gerade noch rechtzeitig um den Knüppel zu erblicken, der unbarmherzig auf mich niedersauste. Doch zum Ausweichen war es bereits zu Spät. Er traf mich mit solcher Wucht am Kopf, dass ein ganzes Universum vor meinem inneren Auge explodierte. Nur einen Moment, dann streckte die alles umfassende Dunkelheit ihre Klauen nach mir aus, und riss mich hinab ins Nichts.
°°°
Es war das Gefühl von Händen an meinem Kopf, und den daraus resultierenden Schmerz, der mich langsam zurück ins Reich der Lebenden holte. Ich spürte etwas Weiches unter mir. Matratze, Decken, Kissen.
Ein Bett.
Um zu dieser Erkenntnis zu kommen, brauchte ich eine gefühlte Ewigkeit. Meine Gedanken waren wie Sirup, dick und zähflüssig. Und mein Kopf tat mir fürchterlich weh. Ich hatte das Gefühl, von einem LKW angefahren worden zu sein. Nicht das ich wirklich wüsste, wie sich das anfühlte, ich stellte es mir eben nur genauso vor.
Für einen kurzen Moment verschwanden die Finger von meinen Schläfen. Wasser plätscherte, und als sie dann zurückehrten, lief mir etwas Kaltes über die Wange. Es tat gut, und schmerzte zugleich. Ich regte mich darunter. Nur eine kleine Bewegung.
„Schhh, ganz ruhig.“
Cio? Vorsichtig versuchte ich
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