Vergangene Narben
noch ihre Hundedecke mit, damit sie nicht die ganze Zeit auf dem kalten Steinboden liegen musste.
Beim arbeiten bemerkte ich gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Das war auch bei Sonja im Stall immer so. Doch im Gegensatz zu dem Gestüt der Königin war ihres ziemlich klein. Der Hof der Werwölfe nannte knapp fünfzig Pferde sein eigen, da war es kein Wunder, dass sie gleich drei Jobs zu vergeben hatten. Die Pflege großer Tiere bedurfte halt einiges mehr an Aufwand.
Und die Arbeit gab mir auch ein wenig Zeit über den bisherigen Tag ein wenig nachzudenken.
Die Zwillinge waren genauso wie ich sie mir immer vorgestellt hatte. Wunderschön, anmutig, und ein wenig egoistisch, wenn ich daran dachte, wie sie ihre Pferde einfach stehen gelassen hatten, um sich ein blöde CD reinzuziehen. Andererseits war ihnen wahrscheinlich auch ihr Leben lang jegliche Arbeit abgenommen worden, immerhin waren sie ja Prinzessinnen. Das einzige war sie tun mussten war nach dem Kodex der Prinzessinnen zu leben. Eine Prinzessin verkörpert die Unschuld in ihrer reinsten Form. Sie musste in Geist, Körper und Blut unberührt sein. Ihr Haar darf nicht geschnitten werden, da damit ein Teil von ihr genommen würde. Ihr Körper darf nicht von Tattoos oder Schmuck gezeichnet sein, da es eine Verschandlung ihres Äußeren wäre. Und ihr Blut durfte nicht weitergereicht werden.
Das waren auch Gründe, warum ich niemals eine Prinzessin sein konnte. Ich ließ mir mindestens einmal im Jahr die Haare schneiden, hatte nicht nur Ohrringe, sondern auch ein Zungenpircing bei dem Mein Vater fast einen Herzinfarkt erlitten hätte, und ein kleines Tattoo am Bauch, für das er mich wahrscheinlich umbringen würde, sollte er es jemals entdecken.
Nur das mit dem Blut, das hatte ich hinbekommen. Das war meins, und das blieb auch meines. Und wie immer wenn ich an diese seltsame Regelung dachte, stellte sich mir eine Frage. Es hieß ja, dass Prinzessinnen unberührt bleiben mussten. Hieß das auch, sie durften auch keinen Sex haben? Aber wie kamen dann die kleinen Werwölfe zustande?
Ich schüttelte den Kopf über diese unsinnigen Gedanken. Es war ja auch völlig egal. Es wäre jedenfalls noch ein weiterer Punkt auf meiner Liste, die ausschlossen, dass ich jemals eine Prinzessin sein würde, nur weil meine Erzeugerin die Königin war. Ich hatte meine Unschuld schon vor Jahren bei einem Freund gelassen. Ein großer Fehler wie ich hinterher hatte feststellen müssen.
Seufz.
Ich lief durch die Stallgasse in den hinteren Teil wo die Geräte standen, und schnappte mir eine Mistforke samt Schubkarre, um die Boxen auszumisten. Dabei musste ich an Ayden denken. Bei Prinzen war das anders, sie mussten nicht unschuldig bleiben, was nur heißen konnte, dass dieses Gesetz von einem Mann gemacht sein konnte. Und ganz ehrlich, Ayden sah auch nicht wirklich unschuldig aus. Ein wenig hart, ein bisschen überheblich, und ein Quäntchen selbstverlieb, aber nicht unschuldig. Und er schien auch kein großes Interesse daran zu haben, sich mit dem niederen Volk abzugeben, wenn ich so an seinen Blick dachte. So ganz anders als dieser Cio. Ich meine, mal ehrlich, was war los mit dem Kerl? War der bekifft, oder was? Der musste echt Langweile gehabt haben, so wie der mich angequatscht hatte. Und dann erst seine Freundin. Ne, von den beiden sollte ich mich echt fernhalten.
Aber was mir wirklich Kopfzerbrechen bereitete, war meine liebe Verwandtschaft. Das mit Tante Lucy, das war haarscharf gewesen. Wie hatte ich nur so dämlich sein können zu vergessen, dass die sich hier rumtrieben? Ich konnte nur hoffen, dass keiner der beiden peilte dass ich hier war, solange ich meine Erzeugerin noch nicht getroffen hatte. Denn dann würde nicht nur ein riesiges Donnerwetter auf mich warten, dann wäre auch alles völlig umsonst gewesen. Ja, klar, ich war schon neunzehn – oder so gut wie – aber manchmal behandelte mich meine Familie als wäre ich fünf. Dass ich vom Gesetz her eigentlich schon volljährig war, interessierte hierbei nicht. Ich war und blieb das Kind, das unter allen Umständen vor der großen, bösen Welt geschützt werden musste. Und das würde ich in ihren Augen wohl auch immer sein.
Ein letztes Mal belud ich die Mistforke, und schnappte mir dann die Schubkarre, um den Dreck rauszufahren. Doch kaum hatte ich die Box verlassen, stutzte ich. Da hockte ein Mädchen bei Flair, und kraulte sie vorsichtig unterm Kinn, was mein Mikrowutz gleich zum Anlass nahm sich auf den Rücken zu
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