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Vergangene Zukunft

Vergangene Zukunft

Titel: Vergangene Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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Durcheinander entwirrt wurde, und manche Eltern reagierten ziemlich ärgerlich auf solche Verwicklungen.
    Plötzlich merkte Miß Robbins, daß die Reihe der Kinder sich nicht mehr bewegte. Sie ging auf den Jungen zu, der ganz vorn stand. »Geh doch durch, Samuel! Worauf wartest du?«
    »Das ist nicht meine Nummer, Miß Robbins«, sagte Samuel Jones triumphierend.
    »Nun, wessen Nummer ist das?« Ungeduldig glitt ihr Blick über die fünf Jungen, die noch übriggeblieben waren. »Wer fehlt denn?«
    »Dick Hanshaw, Miß Robbins.«
    »Wo ist er?«
    Ein anderer Junge antwortete im selbstgerechten Tonfall, den Kinder immer annehmen, wenn sie einer Autoritätsperson von den Missetaten ihrer Freunde berichten.
    »Er ist durch den Notausgang gegangen, Miß Robbins.«
    »Was?«
    Das Klassentor war zu einer anderen Nummer übergegangen, und Samuel Jones ging hindurch. Die anderen folgten ihm.
    Miß Robbins stand allein im Klassenzimmer. Sie ging zum Notausgang. Es war eine ganz kleine Tür mit Handbetrieb. Sie war in einer Mauernische verborgen, so daß sie die einheitliche Gestaltung des Raumes nicht störte. Sie öffnete die Tür einen kleinen Spalt. Sie war eingebaut worden, um die Kinder bei Feuergefahr aus dem Klassenzimmer zu lassen, ein Anachronismus, der einem antiquierten Gesetz zuzuschreiben war, einem Gesetz, das den modernen automatischen Feuerlöschmethoden, über die alle öffentlichen Gebäude verfügten, keine Rechnung trug. Da war nichts draußen – nur »draußen«. Das Sonnenlicht brannte, und ein scharfer Wind blies. Miß Robbins schloß die Tür. Sie war froh, daß sie Mrs. Hanshaw angerufen hatte. Sie hatte ihre Pflicht getan. Jetzt war es offensichtlicher denn je, daß irgend etwas mit Richard nicht stimmte. Sie unterdrückte den Impuls, seine Mutter noch einmal anzurufen.
     
    Mrs. Hanshaw besuchte an diesem Tag doch nicht New York. Sie blieb zu Hause und überließ sich ihren halb ängstlichen, halb ärgerlichen Gedanken. Ihr Ärger richtete sich hauptsächlich gegen die unverschämte Miß Robbins.
    Fünfzehn Minuten vor Schulende trieb sie ihre Angst zum Tor, Im letzten Jahr hatte sie eine automatische Vorrichtung einbauen lassen, die es täglich um fünf Minuten vor drei auf die Nummer des Klassentors einstellte. Das Tor behielt diese Einstellung bei und sperrte sich gegen jede manuelle Betätigung, bis Richard eintraf.
    Ihr Blick heftete sich auf das trübe Grau des Tores (warum konnte ein inaktives Kräftefeld nicht eine etwas erfreulichere, lebendigere Farbe haben!), und sie wartete. Ihre kalten Finger schlangen sich ineinander.
    Das Tor wurde genau zur richtigen Zeit schwarz, aber nichts geschah. Die Minuten verstrichen, und Richard erschien nicht. Es wurde später, immer später.
    Eine Viertelstunde vor vier war sie außer sich vor Angst. Normalerweise hätte sie die Schule angerufen, aber sie konnte es nicht, nicht heute, nicht, nachdem diese Lehrerin so deutliche Zweifel an Richards geistiger Gesundheit geäußert hatte.
    Mrs. Hanshaw ging unruhig auf und ab, zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an und drückte sie wieder aus. Vielleicht war gar nichts Besonderes vorgefallen. Vielleicht blieb Richard aus irgendeinem Grund länger in der Schule. Aber das hätte er ihr doch vorher gesagt. Dann kam ihr ein Gedanke. Er wußte doch, daß sie geplant hatte, New York zu besuchen und erst spät abends zurückzukehren …
    Nein, sicher hätte er es ihr gesagt. Warum sollte sie sich in falschen Hoffnungen wiegen?
    Langsam zerbröckelte ihr Stolz. Sie mußte die Schule anrufen oder sogar (sie schloß die Augen, und Tränen quollen zwischen ihren Wimpern hervor) die Polizei.
    Als sie die Augen öffnete, stand Richard vor ihr. Er hielt den Blick gesenkt, und seine ganze Haltung drückte aus, daß er ein Donnerwetter erwartete.
    »Hallo, Mammy.«
    Mrs. Hanshaws Angst verwandelte sich augenblicklich in Zorn.
    »Wo bist du gewesen, Richard?«
    Und dann, bevor sie sich weiter über gedankenlose Söhne verbreiten konnte, die die Herzen ihrer Mütter brachen, bemerkte sie gewisse Veränderungen in seiner äußeren Erscheinung, und vor Schreck stockte ihr beinahe der Atem.
    »Du warst im Freien!«
    Ihr Sohn blickte auf seine staubigen Schuhe herab. Die Schmutzabweiser waren verschwunden. Er blickte auf die Schmutzstreifen an seinen Ärmeln, auf den kleinen Riß in seinem Hemd.
    »Ach, Mammy, ich habe nur gedacht, ich …« Er verstummte.
    »War irgend etwas mit dem Klassentor nicht in

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