Vergeben, nicht vergessen
Emma ihre Haferflocken aufaß, trank Ramsey seinen Kaffee und beobachtete Molly beim Flechten des Bauernzopfs. Ihre Handbewegungen waren sicher und geschmeidig. Das würde er auch lernen müssen. Er erinnerte sich an die armseligen Zöpfe, die er zu Stande gebracht hatte, nachdem er Emma gefunden hatte.
»Wirst du mir das einmal beibringen?«, wandte er sich an Molly, die den Zopf mit einem Gummiband abschloss. Dann zog sie eine hübsche gelbe Schleife darüber.
»Kein Problem. Emma, dir macht es doch nichts aus, wenn Ramsey ein wenig an deinem Haar übt?«
»Nein, Mama. Ramsey kann alles lernen.«
»So viel Zutrauen«, sagte Molly und küsste ihre Tochter aufs Ohr. »Wenn du dann fertig gegessen hast, Liebling, ist es auch schon Zeit zu gehen. Ich bitte jetzt Miles, das Auto zu holen.«
»Günther hat es vorhin schon gebracht, laut Auskunft deines Vaters jedenfalls.«
Fünf Minuten später verließen sie das Haus. Das Auto stand am hinteren Ende der weitläufigen Auffahrt.
Plötzlich schnellte Louey Santera hinter dem dichten Gebüsch hervor, rannte auf das Auto zu und riss die Fahrertür des Mercedes auf.
»Er versucht zu fliehen«, sagte Ramsey und schüttelte den Kopf. »Was für ein Dummkopf.«
»Kommen Sie zurück, Louey. Sie kommen hier nicht raus, das wissen Sie doch. Das Tor ist verschlossen und wird von zwei bewaffneten Sicherheitsposten bewacht. Bleiben Sie hier, Sie Schwachkopf. Himmel noch mal, Mason wird Ihnen nicht die Fingernägel ausreissen lassen. Sie müssen ihm lediglich die Wahrheit sagen, dann wird Ihnen niemand ein Haar krümmen.«
Louey streckte ihm den Stinkefinger entgegen. Er drehte den Schlüssel im Zündschloss.
Das war seine allerletzte Handlung.
18
Das Auto explodierte wie ein Feuerball. Flammen züngelten himmelwärts, Metallstücke schossen aus dem Wagen durch die Luft in ihre Richtung. Molly riss Emma beiseite, drückte sie auf den Boden und warf sich über sie. Ramsey warf sich über sie beide, breitete seine Arme aus und bedeckte sie so weit wie möglich. Er spürte die enorme Hitze der Flammen, hörte das Zischen des Feuers und das Aufschlagen von Metallstücken auf der Auffahrt. Plötzlich hatte er das Gefühl, als ob ihm ein Felsen auf den Rücken gefallen sei. Er war hart und schwer und heiß. Schmerz überwältigte ihn. Was auch immer auf seinem Rücken lag, brannte sich durch Anorak und Hemd. »Beweg dich nicht, Molly.« Mit einer schnellen Bewegung rollte er auf den Rücken. Ein rauchendes Stück Autositz fiel neben ihm auf den Boden. Augenblicklich ließ der Schmerz nach. Er hatte das Feuer gelöscht.
Er blickte sich nach Molly um und sah ein scharfes Stück Metall wie einen Pfeil in ihrem Arm unmittelbar über dem Ellenbogen stecken. »O mein Gott, Molly, halt ganz still. Emma, ist alles in Ordnung?«
»Ja, Ramsey.«
»Gut. Bewegt euch beide nicht. Es ist immer noch zu gefährlich.« Er riss sich den Ärmel vom Hemd, atmete einmal tief durch und zog, ohne auch nur ein Wort an Molly zu richten, den Metallpfeil aus ihrem Arm. »Geschafft«, meinte er. »Beweg dich nicht, ich werde dich verbinden.«
Molly hatte keinen Laut von sich gegeben. Er wusste nicht, wie sie das hatte zu Wege bringen können, aber sie hatte es geschafft. Die nächsten Minuten verstrichen sehr langsam. Emma wurde unruhig. Er murmelte ein paar unverständliche Worte, um sie zu beruhigen. Schließlich war das Auto ganz heruntergebrannt, die Flammen verwandelten sich in schwarze Rauchschwaden, die sich kurz darauf über alles legten.
Der Geruch verbrannten Gummis war ekelhaft. Der Mercedes war nur noch eine brennende Karosse. Und das, was von Loueys Körper noch verblieben war.
Als Ramsey sich schließlich bewegte, rollte Emma auf den Rücken und sah zu ihm und zu ihrer Mutter auf. Molly hielt sich den Arm. »Was ist passiert? Warum ist unser Auto explodiert?«
»Ist schon gut, Emma.« Er konnte ihr nicht antworten, jetzt noch nicht. Er half Molly aufzustehen. »Ist es erträglich?«
»Ja, mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich hatte Glück, dass ich ein langärmeliges Kleid trage. Viel Schutz bietet es zwar nicht, doch immerhin etwas.« Ihr Ärmel war abgesengt, das Blut sickerte aus dem provisorisch umgelegten Verband und rann ihr den Unterarm hinunter.
»Wir brauchen beide einen Arzt.«
Sie blickte ihn an. »Geht es dir gut, Ramsey? Du bist verletzt. Wie schlimm ist es?«
»Alles in Ordnung. Nun komm schon, Molly.«
Sie blickte auf die brennende Karosserie und wurde
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