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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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was
erwidern und das hätte — seiner Miene nach — respektvoll geklungen. Aber in
diesem Moment hielt der Alt-Fiat in einer schmalen Nebenstraße am
Bordsteinrand. Der Wagen fuhr mit den rechten Rädern halb auf den Gehweg, stand
also angekippt und der Fahrer wuchtete sich ins Freie.
    Schnitzbacher war noch weit
entfernt und hielt ebenfalls.
    Der Bullige hatte offenbar
nichts von den Verfolgern bemerkt. Er zeigte, was er von seinem Fahrzeug hielt,
schloss nämlich die Tür mit einem Tritt. Der Fiat schaukelte. Bully sperrte
seine Karre nicht zu. An der hätte sich ohnehin nur ein Geisteskranker
vergriffen. Bestimmt enthielt sie nichts von Wert.

    Bully betrat eins der
Mehrfamilienhäuser, die hier in fünfstöckiger Höhe die Häuserzeile füllten. Es
war eine unschöne Gegend mit niedrigen Mietpreisen.
    „Ich geh ihm nach“, sagte Tim,
„und ziehe Erkundigungen ein. Es ist unauffälliger, als wenn Sie das machen.
Okay?“
    Der Kommissar seufzte. „Na gut!
Da es um Gaby geht, kann dich wahrscheinlich nichts und niemand zurückhalten.
Wenn du Zoff kriegst, komme ich mit meinem Polizeiausweis.“
    „Wird nicht nötig sein, Herr
Schnitzbacher. Bis gleich!“
    Die Haustür war nicht
verschlossen. Tim trat in ein schmuckloses Treppenhaus, wo noch das
Drei-Minuten-Licht brannte.
    Ein enger Lift. Die Kabine war
unterwegs. Der Bullige wohnte anscheinend ziemlich weit oben. In dem Flur, der
zum Hof führte, standen ein Kinderwagen, zwei Fahrräder und ein City-Roller, an
dem ein Teil vom Lenker abgebrochen war. Offenbar hatte es einen schlimmen
Unfall gegeben.
    Neben der Haustür gebot ein
Schild an der Wand: Bitte, Türe leise schließen! Daneben war eine lange
Reihe blecherner Briefkästen.
    Tim horchte. Ziemlich weit oben
wurde die Lifttür geöffnet. Schritte. Schlüsselgeräusche an der Wohnungstür.
Stille. Das Drei-Minuten-Licht erlosch.
    Wen frage ich?, überlegte Tim und
stieg langsam die Treppe hinauf. Es ist spät. Ich kann nicht einfach irgendwo
klingeln.
    An den Wohnungstüren waren nur
Nummern, keine Namen.
    In der dritten Etage hörte er
Stimmen hinter Nr. 11.
    Ein Mädchen sagte: „Nur in den
Keller, Mutti. Ich hole mir ‘ne Flasche Saft.“
    „Du bist aber gleich wieder da,
Nadine!“, befahl die Mutti im Hintergrund. Dort ertönten auch TV-Geräusche, der
übliche Samstagabend-Mist.
    Tim drückte rasch den
Lichtschalter, damit Nadine nicht im Dunkeln gegen ihn rammte. Das etwa 16-jährige
Mädchen trat ins Treppenhaus, schloss langsam die Tür hinter sich und machte
große Augen.
    Sie hatte rotes Langhaar und
eine niedliche Stupsnase. Die Figur war Bulimie verdächtig, also fädchendünn
wie bei allen, die an der Ess-Brech-Sucht leiden.
    Tim suchte all seinen Charme
zusammen und grinste sie an.
    „Hallo, Nadine.“
    „Äh... hallo! Kennen wir uns?“
    „Leider noch nicht. Ich hörte
nur eben durch die Tür, dass du Saft holen willst.“
    „Ja.“ Sie lachte. „Ja. Will
ich. Apfelsaft. Wir haben einen ganzen Kasten im Keller. Apfelsaft ist gesund
und macht schlank. Sag mal, lauschst du nachts an fremden Türen? Wohnst du hier
überhaupt?“
    „Nein. Nein.“
    „Wie bitte?“
    „Ich lausche nicht. Und ich
wohne hier nicht. Ich bin nur zufällig anwesend.“ Er senkte die Stimme.
„Vielleicht kannst du mir helfen?“
    „Wobei?“ Ihre Miene verriet:
Sie hätte ihm bei fast allem geholfen.
    Er sprach noch leiser. „Mich
hat eben so ein Typ mit dem Wagen touchiert, gestreift. Und…“
    „Ich weiß, was touchieren
heißt“, unterbrach sie ihn. „Ich gehe aufs Gymnasium. Außerdem heißt es nicht
streifen, sondern berühren.“
    „Exakt.“ Tim verstärkte sein
Grinsen. „Aber es ändert nichts daran, dass ich fast vom Bike gefallen bin. Der
Typ ist weitergefahren, ich habe hinterher gebrüllt — und noch gesehen, wie er
hier rein ist. Wohnt der hier — so ein bulliger Typ? Fährt ‘nen alten Fiat, den
totalen Rosthaufen.“
    „Klar, das ist der Nuballa.“
    „Nuballa?“
    „Paul Nuballa. Aber mit dem
würde ich mich nicht anlegen. Ist ein grober Socken. Bei dem möchte ich nicht
Eisbär sein oder Tiger?“
    „Wie meinst du das?“ Eine
Ahnung beschlich Tim. „Nuballa arbeitet im Zoo. Als Tierpfleger. Bei den
Raubtieren. Jedenfalls protzt er damit. Er mistet die Bärenkäfige aus. Ich
glaube, er ist nur ‘ne Aushilfe. Mehr würde ich ihm nicht Zutrauen.“
    „Aha.“
    „Willst du ihn anzeigen?“
    „Ich überlege. An meinem Bike
ist das hintere Schutzblech kaputt. Welche

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