Vergebliche Suche nach Gaby
Schnitzbacher, der unauffällige Schreibtischtyp, hatte Blaulicht
eingeschaltet und drosch seinen Audi über den Asphalt wie ein entfesselter
Formel-1-Pilot, dem die Millionen-Prämien wichtiger sind als Gesundheit und
Leben.
Keine Sirene. War auch nicht
nötig. Auf der Peisenstraße lag das Verkehrs-Aufkommen im Bereich ,toter Hose’.
Ein paar Linienbusse rollten und ein paar Pkws mit Fahrern so um die
1,0-Promille-Alkohol. Die Leute bemühten sich um normales Verhalten: Nicht zu
schnell, nicht zu langsam, keine Schlangenlinien. Ein Opelfahrer hatte
vergessen die Scheinwerfer einzuschalten. Auf der gut ausgeleuchteten
Fast-Schnellstraße fiel ihm das nicht auf.
„Idiot!“, knurrte Schnitzbacher.
„Ich habe doch gar nichts
gesagt.“
„Ich meine den Opel.“
„Er ist schön beiseite
gerückt.“
„Sonst hätte ich ihn gerammt.“
„Aber Herr Kommissar!“
„Galgenhumor, wie?“
„Mir ist dauernd übel vor
Angst. Vor Angst um Gaby.“
„Jaja, Tim! Wenn man eine große
Liebe hat, ist man auch verletzlich. Man zittert um diese Person. Nur wer
niemanden hat, um den er sich sorgt, lebt bequem.“
„Aber das ist auch alles. Diese
Art von Bequemlichkeit ist was für Feig- und Schwächlinge.“
Schnitzbacher nickte ohne den
Blick von der Straße zu nehmen.
„Was machen wir“, fragte Tim,
„wenn uns der Fiat Ritmo ZH 333 entgegen kommt?“
„Wir fahren vorbei als wäre
nichts — als würde er uns nicht interessieren.“
„Dann volle Pulle voraus — denn
dort kommt er.“
Tims Adlerblick hatte den Wagen
erspäht. Der war eben von einer Harley Davidson überholt worden. Auf der saß
ein Kinderschreck mit wallendem Graubart, Sturzhelm in Stahlhelm-Form und
benieteter Lederjacke, die sich über einen Trommelbauch spannte. Erst beim
Vorbeifahren sah Tim, dass die Harley doppelt besetzt war. Die Motorrad-Braut,
eine halbe Portion mit Goldmähne unterm Helm, klammerte sich im Windschatten
fest.
Der Fiat fuhr gemächlich.
Ein bulliges Gesicht glotzte
herüber.
„Wir sehen nicht nach Polizei aus“,
meinte Schnitzbacher. „Eher wie Notarzt oder Pannenhilfe.“
„Oder wie Nachzügler von der
Feuerwehr.“
Tim drehte sich um und
beobachtete durchs Heckfenster. Schnitzbacher bog rechts ab, wendete
sekundenschnell in einer Seitenstraße, hielt kurz und nahm den Blaulichtsockel
vom Dach.
Die nützliche Warnanlage wurde
auf den Rücksitz gelegt.
Wieder auf der Peisenstraße —
diesmal in anderer Richtung — sahen sie gerade noch, wie am Fiat das Blinklicht
betätigt wurde. Es funktionierte, erstaunlicher weise.
„Keine Sekunde zu früh“, meinte
der Kommissar.
Sie folgten dem Wagen, hielten
aber Abstand.
Das Tempo war jetzt gemütlich.
„Was versprichst du dir von der
Überprüfung, Tim?“
„Ja, richtig. Sie waren noch nicht
da, als wir unsere Theorie entwickelt haben. Nämlich: Gaby ist vielleicht nicht
in den Wald geflohen, als die Bären auftauchten, sondern in das einzige Haus an
der Noah-Straße — zu Bruno Otterfeint. Vielleicht ist sie dabei unabsichtlich
Zeugin geworden von ‘ner ganz heißen Kiste. Das hieße: Nicht die Bären haben
Gaby verschleppt — sondern Bruno. Wir wissen, dass er zur fraglichen Zeit
weggefahren ist. Das habe ich zufällig gesehen, als ich Gaby suchte. Der Typ
ist nicht blöd. Der Typ sieht voraus. Also hat er Gaby weggebracht. Aber wohin?
Wir kennen das Gelichter nicht, mit dem er Umgang hat. Doch wir wissen, dass
sein Bruder Siegfried als Geschäftsmann — nämlich als Tierverwerter — ätzender
Schrott ist. Deshalb äugen Karl und Klößchen dort die Bildfläche ab. Und sind
auf den Fiat-Typ gestoßen, der gerade bei Siegfried war. Meine Überlegung ist
nun: Wenn Bruno meine Freundin zu Siegfried gebracht hat, kann das nur
vorläufig sein, nur vorübergehend. Denn wenn wir Bruno verdächtigen, kommen wir
auch auf Siegfried. Das wissen die. Deshalb müssen sie Gaby woanders
hinbringen. Damit wird für uns jeder Dritte interessant.“
„Du meinst, der Bully im Fiat
hat Gaby im Kofferraum?“
„Das nicht. Karl und Klößchen
haben beobachtet, wie er kam und wie er abfuhr. Der Fiat stand die ganze Zeit
bei Siegfried vor dem Tor. Aber — sage ich mir — Gaby könnte schon bei dem
Bully sein. Oder er bereitet etwas vor.“ Schnitzbacher nickte. „Flächendeckende
Überlegung. Was machen Karl und Willi inzwischen?“
„Sie observieren Siegfried.“
„Ihr denkt an alles?“
„Es geht um Gaby. Und wir sind
TKKG.“
Schnitzbacher wollte
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