Vergebung
unten und entdeckte, dass sie stark blutete. Als sie noch einen Schritt machte, fuhr ihr der Schmerz durch den ganzen Fuß. Auf einem Bein hüpfte sie zu einem Stuhl und setzet sich. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass in ihrer Ferse eine Glasscherbe steckte. Erst wurde ihr ganz flau. Dann riss sie sich aber zusammen, packte die Scherbe und zog sie heraus. Es tat höllisch weh, und das Blut strömte nur so aus der Wunde.
Sie riss eine Kommodenschublade im Flur auf, in der sie ihre Schals, Handschuhe und Mützen aufbewahrte. Sie fand ein Tuch, das sie sich rasch um den Fuß wickelte und fest zuknotete.
Verblüfft betrachtete sie die blutige Glasscherbe. Wie kommt die denn hierher? Dann entdeckte sie mehrere Scherben auf dem Boden. Was zum Teufel … Sie stand auf, warf einen Blick ins Wohnzimmer und sah, dass das große Panoramafenster mit Blick auf den Saltsjön geborsten und der ganze Boden mit Glassplittern übersät war.
Sie ging zur Haustür und zog sich die Straßenschuhe an, die sie sich beim Nachhausekommen einfach von den Füßen getreten hatte. Das heißt, sie zog den einen Schuh an, stieg mit den Zehen des verletzten Fußes in den anderen und hüpfte mehr oder weniger auf einem Bein ins Wohnzimmer, um den Schaden zu begutachten.
Dann entdeckte sie den Ziegelstein mitten auf dem Wohnzimmerfußboden.
Sie hinkte zur Terrassentür und ging in den Garten. Irgendjemand hatte in meterhohen Buchstaben ein Wort auf die Fassade gesprüht:
Nutte
Um kurz nach neun Uhr hielt Monica Figuerola Mikael Blomkvist die Autotür auf. Dann ging sie auf die andere Seite und setzte sich auf den Fahrersitz.
»Soll ich Sie nach Hause fahren oder irgendwo anders absetzen?«
Mikael Blomkvist stierte mit leerem Blick geradeaus.
»Ehrlich gesagt … ich weiß im Moment gar nicht so richtig, wo ich bin. Ich hatte bis jetzt noch nie einen Ministerpräsidenten erpresst.«
Monica Figuerola lachte.
»Sie haben Ihre Karten gut ausgespielt«, sagte sie. »Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass Sie so ein Pokertalent sind.«
»Ich hab jedes Wort ernst gemeint.«
»Ja, kann schon sein, aber ich will darauf hinaus, dass Sie so getan haben, als wüssten Sie mehr, als Sie tatsächlich wissen. Das wurde mir in dem Moment klar, als mir aufging, wie Sie mich identifiziert haben.«
Mikael drehte den Kopf und betrachtete ihr Profil.
»Sie haben mein Kennzeichen aufgeschrieben, als ich vor Ihrer Wohnung im Auto saß.«
Er nickte.
»Sie haben es aber so hingestellt, als wären Sie genau im Bilde, was im Büro des Ministerpräsidenten geredet wird.«
»Warum haben Sie nichts gesagt?«
Sie warf ihm einen raschen Blick zu und fuhr auf die Grev Turegatan.
»Spielregeln. Ich hätte mich gar nicht dort hinstellen dürfen. Aber es gab keinen anderen Parkplatz. Sie beobachten Ihre Umgebung sehr genau, stimmt’s?«
»Sie saßen mit einem Stadtplan auf dem Fahrersitz und telefonierten mit dem Handy. Ich hab mir das Kennzeichen notiert und rein routinemäßig kontrolliert. Das tue ich jedes Mal, wenn mir ein Auto auffällt. Meistens ohne Erfolg. Doch in Ihrem Fall habe ich entdeckt, dass Sie bei der SiPo arbeiten.«
»Ich wollte eigentlich Mårtensson beobachten. Dabei habe ich entdeckt, dass Sie ihn durch Susanne Linder von Milton Security überwachen lassen.«
»Armanskij hat sie beauftragt, alles zu dokumentieren, was rund um meine Wohnung passiert.«
»Und da sie in Ihrer Haustür verschwand, nehme ich an, dass Armanskij irgendein Überwachunssystem in Ihrer Wohnung hat installieren lassen.«
»Stimmt. Wir haben ein wunderbares Video davon, wie sie in meine Wohnung einbrechen und meine Papiere durchwühlen. Mårtensson hat einen tragbaren Kopierer dabei. Haben Sie Mårtenssons Komplizen schon identifiziert?«
»Der ist unwichtig. Schlosser mit krimineller Vergangenheit, der wahrscheinlich dafür bezahlt worden ist, Ihre Tür zu öffnen.«
»Name?«
»Quellenschutz?«
»Selbstverständlich.«
»Lars Faulsson. 47 Jahre alt. Spitzname Falun. In den 80er-Jahren verurteilt, nachdem er einen Tresor ausgeräumt hatte und noch so einiges andere. Er hat einen Laden am Norrtull.«
»Danke.«
»Aber die Geheimnisse sparen wir uns bis zum Treffen morgen früh auf.«
Sie hatten vereinbart, dass Mikael Blomkvist am nächsten Tag den Verfassungsschutz besuchen sollte, um mit dem Informationsaustausch zu beginnen. Mikael überlegte. Sie kamen gerade am Sergels Torg vorbei.
»Wissen Sie was? Ich habe einen Riesenhunger. Haben Sie
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