Vergebung
und seinen Toilettenschüsseln trug den Qualitätsstempel von Millennium, war erstklassig recherchiert und dokumentiert.
Aber gleichzeitig war ihr beklommen zumute. Magnus Borgsjö war ein sympathischer Mensch, den sie sogar recht gern hatte. Er war feinfühlig, offen, hatte Charme und keine Allüren. Außerdem war er ihr Chef und Arbeitgeber. Verdammt, Borgsjö! Wie konntest du nur so was tun?!
Sie überlegte noch eine Weile, ob es vielleicht mildernde Umstände gab, wusste aber genau, dass man diese Sache nicht rechtfertigen konnte.
Sie legte den Rechercheordner aufs Fensterbrett, streckte sich in der Wanne aus und dachte nach.
Millennium würde diese Story unweigerlich veröffentlichen. Wäre sie selbst noch Chefredakteurin der Zeitschrift, würde sie auch keine Sekunde zögern, und die Tatsache, dass Millennium ihr die Story vorgelegt hatte, war nur eine persönliche Geste, die zeigte, dass man den Schaden für sie persönlich möglichst in Grenzen halten wollte.
Die Veröffentlichung würde Magnus Borgsjö massiv schaden. Dabei war das Schlimmste nicht mal die Tatsache, dass seine Firma Vitavara AB Toilettenschüsseln bei einem vietnamesischen Unternehmen bestellt hatte, das auf der schwarzen Liste der UNO stand, weil es Kinder und Strafgefangene beschäftigte. Das Schlimmste war, dass Borgsjö die Verhältnisse bekannt waren und er trotzdem weiter Toilettenschüsseln bei Fong Soo Industries bestellte. Das war die Sorte Gier, für die das schwedische Volk so gar kein Verständnis aufbrachte.
Borgsjö würde selbstverständlich behaupten, dass ihm die Arbeitsbedingungen bei Fong Soo unbekannt gewesen seien, aber Henry hatte für diesen Fall genug Belege gesammelt, und sobald Borgsjö versuchen würde, sich so aus der Affäre zu ziehen, würde er obendrein noch als Lügner dastehen. Im Juni 1997 war Borgsjö nämlich nach Vietnam gereist, um die ersten Verträge zu unterzeichnen. Bei dieser Gelegenheit hatte er zehn Tage in Vietnam verbracht und unter anderem die Fabriken des Unternehmens besucht.
Der letzte Zweifel an Borgsjös Wissen wurde endgültig ausgeräumt, als Henry nachwies, dass die UNO-Kommission Fong Soo wegen Kinderarbeit auf die schwarze Liste gesetzt hatte, dass Zeitungsartikel zu diesem Thema geschrieben worden waren und zu guter Letzt zwei voneinander unabhängige Organisationen eine Reihe von Briefen an die Unternehmen geschickt hatte, die bei Fong Soo bestellten. An Vitavara AB waren nicht weniger als sieben Briefe gegangen. Zwei von ihnen adressiert an Magnus Borgsjö persönlich. Eine der Organisationen, die in London ansässig war, hatte Henry Cortez mit Freuden die beweiskräftigen Unterlagen überlassen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass Vitavara AB kein einziges Schreiben beantwortet hatte.
Magnus Borgsjö hingegen war noch zwei Mal nach Vietnam gereist, 2001 und 2004, um den Vertrag zu verlängern. Das war sein Todesurteil. Damit war seine letzte Chance dahin, sich auf mangelnde Information herauszureden.
Die Aufmerksamkeit, die dieser Skandal bei den Medien hervorrufen würde, konnte nur eins bedeuten. Wenn Borgsjö klug war, leistete er Abbitte und trat von seinen Führungsposten zurück. Wenn er sich wehrte, würde man ihn völlig vernichten.
Ob Borgsjö Aufsichtsratsvorsitzender bei Vitavara AB war oder nicht, war Erika Berger egal. Doch konnte sich die SMP keinen Aufsichtsratsvorsitzenden mit so zweifelhaftem Gebaren leisten. Also musste er die SMP verlassen.
Was Erika Berger betraf, ergab sich daraus nur eine Alternative.
Sie konnte entweder zu Borgsjö gehen, die Karten auf den Tisch legen und ihn dazu bewegen, selbst die Konsequenzen zu ziehen.
Oder sie musste in aller Eile den Aufsichtsrat zusammentrommeln und diesen zwingen, Borgsjö zu feuern.
Sollte der Aufsichtsrat sich ihrer Meinung nicht anschließen, musste sie selbst ihren Posten als Chefredakteurin der SMP mit sofortiger Wirkung räumen.
Als Erika Bergers Überlegungen so weit gediehen waren, war ihr Badewasser schon kalt. Sie duschte kurz, trocknete sich ab und ging ins Schlafzimmer, wo sie in ihren Morgenmantel schlüpfte. Dann griff sie zum Handy und wählte Mikael Blomkvists Nummer. Keine Antwort. Daraufhin ging sie ins Erdgeschoss, um sich Kaffee zu machen und zum ersten Mal seit ihrem Arbeitsantritt bei der SMP nachzusehen, ob im Fernsehen nicht irgendein Film kam, bei dem sie sich entspannen konnte.
Als sie am Wohnzimmer vorbeikam, spürte sie einen stechenden Schmerz im Fuß, blickte nach
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