Vergebung
kommen wollte. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass eine abgebrochene Spitze immer noch in ihrer Ferse steckte und entfernt werden musste. Sie bekam eine örtliche Betäubung, hinterher wurde die Wunde mit drei Stichen genäht.
Erika Berger fluchte vor sich hin und versuchte in regelmäßigen Abständen, mal Greger Backman, mal Mikael Blomkvist zu erreichen. Doch weder ihr Ehemann noch ihr Liebhaber geruhten zu antworten. Gegen neun Uhr abends steckte ihr Fuß in einem dicken Verband, sie bekam Krücken und nahm sich ein Taxi nach Hause.
Eine Weile humpelte sie durch ihre Wohnung, fegte die Scherben zusammen und bestellte sich ein neues Fenster bei einem Glaser-Notdienst. Sie hatte Glück. Es war ein ruhiger Abend, und der Glaser kam schon nach zwanzig Minuten. Dann hatte sie jedoch Pech. Das Wohnzimmerfenster war so groß, dass man eine Scheibe von solchen Ausmaßen nicht vorrätig hatte. Der Handwerker bot ihr an, das Fenster provisorisch mit Spanplatten zu schließen, was sie dankbar annahm.
Während die Spanplatten befestigt wurden, rief sie beim privaten Sicherheitsunternehmen NIP - Nacka Integrated Protection - an und erkundigte sich, warum in drei Teufels Namen der kostspielige Einbruchsalarm nicht ausgelöst worden war, als jemand einen Ziegelstein durchs größte Fenster der 250 Quadratmeter großen Villa geworfen hatte.
Wie sich herausstellte, hatte der Techniker, der die Alarmanlage vor mehreren Jahren installiert hatte, vergessen, die Drähte des Wohnzimmerfensters mit anzuschließen.
Erika Berger fehlten die Worte.
NIP bot an, schon am nächsten Morgen für Abhilfe zu sorgen, aber Erika meinte, sie sollten sich keine Umstände machen. Stattdessen rief sie den Nachtdienst von Milton Security an, erklärte ihre Situation und sagte, dass sie so schnell wie möglich eine komplette Alarmanlage haben wollte. »Ja, ich weiß, dass dazu ein Vertrag aufgesetzt werden muss, aber richten Sie Dragan Armanskij einfach aus, dass Erika Berger angerufen hat, und sorgen Sie dafür, dass diese Anlage morgen früh installiert wird.«
Schließlich rief sie noch bei der Polizei an. Man teilte ihr mit, es sei gerade keine Streife abkömmlich, um ihre Anzeige aufzunehmen. Man riet ihr, sich ans nächste Polizeirevier zu wenden.
Dann saß sie allein da und brütete eine Weile still vor sich hin, bis ihr Adrenalinspiegel wieder fiel und ihr klar wurde, dass sie jetzt allein in einem ungesicherten Haus schlafen sollte, während irgendjemand, der sie »Nutte« nannte und gewalttätige Neigungen zeigte, irgendwo unbehelligt durch die Gegend lief.
Einen Moment überlegte sie, ob sie in die Stadt fahren und die Nacht im Hotel verbringen sollte, aber Erika Berger war definitiv ein Mensch, der es hasste, bedroht zu werden, und es noch mehr hasste, angesichts einer Drohung klein beizugeben. Das wollen wir doch erst mal sehen, ob irgend so ein Schwein mich aus meinem eigenen Zuhause vertreiben kann .
Sie ergriff ein paar einfache Sicherheitsmaßnahmen.
Mikael Blomkvist hatte ihr einmal erzählt, wie Lisbeth Salander den Serienmörder Martin Vanger mit einem Golfschläger in Schach gehalten hatte. Also ging sie in die Garage und suchte zehn Minuten lang nach ihrer Golftasche, die sie seit ungefähr fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie suchte sich den Eisenschläger mit dem besten Schwung aus und stellte ihn in Reichweite neben ihr Bett im Schlafzimmer. Dann holte sie noch einen Hammer aus der Werkzeugschublade im Keller und legte ihn ins Badezimmer.
Ihre Tränengaspatrone nahm sie aus der Umhängetasche und stellte die Dose auf ihren Nachttisch. Schließlich presste sie noch einen Gummikeil unter die geschlossene Schlafzimmertür. Als sie fertig war, hoffte sie fast, dass dieser verdammte Idiot, der sie als Nutte bezeichnete und ihr Fenster einschlug, dumm genug war, im Laufe der Nacht noch einmal wiederzukommen.
Als sie sich zufriedenstellend verschanzt hatte, war es ein Uhr nachts. Um acht Uhr sollte sie wieder an ihrem Arbeitsplatz sein. Sie zog sich aus und schlüpfte in ihr Bett. Erika hatte kein Nachthemd an und überlegte, ob sie sich ein T-Shirt überziehen sollte, aber da sie seit ihrer Jugend nackt schlief, beschloss sie, dass ein Ziegelstein, der durch ihr Wohnzimmerfenster geflogen war, ihre privaten Gewohnheiten auch nicht ändern sollte.
Dann lag sie natürlich trotzdem wach und dachte nach.
Nutte.
Sie hatte neun Mails erhalten, die alle das Wort »Nutte« enthielten. Die erste war aus
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