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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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soll.«
    »Das ganze Leben von Frau Salander ist seit ihrer Grundschulzeit eine einzige Serie von Aktenvermerken über ihre grundlosen gewalttätigen Ausbrüche gegenüber Lehrern und Klassenkameraden.«
    »Einen Augenblick …«
    Annika Gianninis Stimme klang plötzlich wie ein Eisschaber auf einer Autoscheibe.
    »Sehen Sie sich meine Mandantin bitte einmal an.«
    Alle blickten auf Lisbeth Salander.
    »Meine Mandantin ist unter widrigsten Familienverhältnissen aufgewachsen, mit einem Vater, der ihre Mutter jahrelang schikanierte und misshandelte.«
    »Das ist …«
    »Lassen Sie mich ausreden! Frau Salanders Mutter hatte eine Todesangst vor Alexander Zalatschenko. Sie wagte nur nicht zu protestieren. Sie wagte es nicht, zu einem Arzt zu gehen. Sie wagte es nicht, in ein Frauenhaus zu gehen. Sie wurde unterdrückt und zum Schluss so schwer misshandelt, dass sie bleibende Hirnschäden davontrug. Die Person, die die Verantwortung übernahm, die einzige Person, die versucht hat, die Verantwortung für ihre Familie zu übernehmen, lange bevor sie in die Pubertät kam, war Lisbeth Salander. Und diese Verantwortung musste sie ganz allein übernehmen, da der Spion Zalatschenko ja wichtiger war als ihre Mutter.«
    »Ich kann nicht …«
    »Die Gesellschaft hat Lisbeths Mutter und ihre Kinder im Stich gelassen. Wundert es Sie, dass Lisbeth Probleme in der Schule hatte? Sie ist klein und schmächtig. Sie war immer das kleinste Mädchen in der Klasse. Sie war verschlossen und seltsam und hatte keine Freunde. Wissen Sie, wie Kinder Schulkameraden behandeln, die anders sind?«
    Dr. Teleborian seufzte.
    »Die Klassenbuchvermerke, die Lisbeths Taten beschreiben, sprechen eine deutliche Sprache«, fuhr Annika Giannini fort. »Jedes Mal ging eine Provokation voraus. Ich erkenne die Anzeichen von Mobbing nur zu gut wieder. Wissen Sie was?«
    »Was?«
    »Ich bewundere Lisbeth Salander. Sie ist tougher als ich. Hätte mich jemand als 13-Jährige ein Jahr lang an ein Bett gefesselt, wäre ich völlig zusammengebrochen. Sie hat jedoch mit der einzigen Waffe zurückgeschlagen, die sie hatte. Nämlich ihrer Verachtung für Sie. Sie weigert sich, mit Ihnen zu sprechen.«
     
    Nun hob Annika Giannini plötzlich die Stimme. Alle Nervosität war von ihr abgefallen. Sie spürte, dass sie die Situation im Griff hatte.
    »In Ihrer heutigen Zeugenaussage haben Sie viel von Fantasien gesprochen, zum Beispiel haben Sie behauptet, Lisbeth Salanders Beschreibung ihrer Vergewaltigung durch Anwalt Bjurman sei eine Fantasie.«
    »Ganz recht.«
    »Worauf gründen Sie diese Schlussfolgerung?«
    »Auf meine Erfahrung, dass sie sich oft etwas zusammenfantasiert.«
    »Auf Ihre Erfahrung, dass sie sich oft etwas zusammenfantasiert … Wie entscheiden Sie denn, ob sie fantasiert? Als sie sagte, dass sie 380 Tage mit Gurten gefesselt wurde, war das Ihrer Meinung nach ja auch eine Fantasie, obwohl die von Ihrer Hand stammende Krankenakte das Gegenteil beweist.«
    »Das ist etwas völlig anderes. Es gibt nicht die geringste Spur eines Beweises, dass Bjurman Lisbeth Salander vergewaltigt hat. Bei den behaupteten Gewalttaten hätte sie zweifellos mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden müssen … Es erklärt sich von selbst, dass das so nicht passiert sein kann.«
    Annika Giannini wandte sich an Richter Iversen. »Ich hatte für heute um einen Projektor gebeten, um einen Film ansehen zu können …«
    »Alles da«, sagte Iversen.
    »Können wir dann bitte die Vorhänge zuziehen?«
    Annika Giannini klappte ihr PowerBook auf und steckte die Kabel für den Projektor ein. Dann wandte sie sich an ihre Mandantin.
    »Lisbeth. Wir werden jetzt einen Film ansehen. Sind Sie bereit?«
    »Ich habe ja alles selbst erlebt«, antwortete Lisbeth trocken.
    »Und ich habe Ihr Einverständnis, das hier zu zeigen?«
    Lisbeth nickte. Dabei fixierte sie Peter Teleborian.
    »Können Sie mir sagen, wann dieser Film aufgenommen wurde?«
    »Am 7. März 2003.«
    »Wer hat diesen Film gemacht?«
    »Ich. Ich habe eine versteckte Kamera benutzt, die zur Standardausrüstung von Milton Security gehört.«
    »Einen Augenblick«, rief Staatsanwalt Ekström dazwischen. »Was sind das schon wieder für Mätzchen?«
    »Was werden wir uns hier ansehen?«, erkundigte sich Richter Iversen mit einer gewissen Schärfe in der Stimme.
    »Dr. Teleborian behauptet, dass Frau Salanders Darstellung reine Fantasie ist. Ich möchte das Gegenteil beweisen. Der komplette Film dauert neunzig Minuten, ich

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